Ein Vergleich
Wir wissen ja wie das so ist mit Innovationen. Die einen verhungern im Feuer der Euphorie (Videosystem Betamax), andere sind genial, werden aber nicht als solche (von der Masse) wahrgenommen (Wankelmotor), Dann gibt es noch das berühmte Rad, welches man nicht neu erfinden sollte und doch entspringt dem Ingenieurskopf in diesem Kontext seit Jahrzehnten immer wieder neues und tolles. Das gilt für die Evolution von Cantilever bis V-Brake und weiter hin zur Scheibenbremse, der Disc Brake, aber auch für die Entwicklungsschritte vom geometrisch etwas seltsam anmutendem Clunkerbike bis hin zum reinrassigen vollgefederten Enduro- oder Reiserad.
Auch im Bereich der Schaltsysteme und/oder Getriebe hat sich das Ritzel mehr als nur einmal um die eigene Achse gedreht und unter anderem zwei ebenso legendäre wir revolutionäre Systeme hervorgebracht: die Rohloff Speedhub 14 und die Pinion Gearbox. Beide Systeme bringen Jahr für Jahr die Bikeraugen zum Leuchten, beide Systeme werden auf dem Altar der Fahrradkirche alljährlich feierlich geweiht und mit Öl bestäubt.
Und dennoch fragt sich der geneigte Radler, welches ist das (final) bessere, welches das clevere System, wo liegen die Vor- und/oder Nachteile, für welches entscheide ich mich schlussendlich? Der Einfachheit halber betrachten wir hier nur die berühmtesten Alternativen zur Kettenschaltung: Rohloff vs. Pinion (hier steht die 18Gang Pinion im Fokus, diese gibt es aber auch in einer 6, 9, 12 Gang Variante)
Was nun folgt, ist der möglichst objektive und möglichst umfassende Blick auf beide Einheiten:
Kriterium Übersetzungsbandbreite
Das Thema ist ein heiliger Gral. Es gibt Biker, die wissen nicht einmal, dass es sowas gibt und es gibt bikende Ingenieure, die haben Nächte voller Excel damit verbraucht, auszurechnen, welches die optimale Übersetzung (also die Kombination von Ritzel vorne und Ritzel hinten ist)
Zum einen ist der (rechnerische) Wert maßgeblich für die Betrachtung: wie leicht klettere ich bergan, wie schnell kann ich auf der Ebene schwungvoll vorwärts treten und wie gut kann ich auch auf abschüssigem Terrain weiteren Schub mitgeben, ohne im Sattel zu „hoppeln“.
Die Werte sprechen (meist) eine klare Sprache. Mathematik lügt nicht:
Rohloff = 526% / Pinion = 636%
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die 636% derzeit die Spitze des machbaren markieren und somit der TOP Wert sind.
Eine Rohloff bietet also im kleinsten Gang eine Entfaltung von 1,38m pro Kurbelumdrehung, was wiederum 5km/h entspricht, im größten Gang sind dies dann ca. 45 km/h. Aufgrund der größeren Bandbreite stellt die Pinion 21% mehr zu Verfügung und pusht sich auf 54km/h.
Punkt Pinion
Kriterium Gangstufen / Schaltschritte
Pinion bietet (aufgrund der höheren Anzahl an Gängen) die feinere Abstufung: 11,5%.
Rohloff kommt auf 13,6% von Gang zu Gang.
Übersetzen wir das mal in Kurbelumdrehung pro Minute (Trittfrequenz). Wie beim Auto ist ein möglichst smoother Übergang von einem Gang in den nächsthöheren (niedrigeren) perfekt (daher die Entwicklung von 4 auf 5 und den heute üblichen 6 Gängen, bzw. 8Gang Automatik).
Kurzum: wir wollen nicht die (Tret)geschwindigkeit rapide mit jedem Gangwechsel ändern (niemand will haxelnd mit 90upm in einen „schweren“, dicken Gang mit 40upm wechseln).
Die 18 Gang Pinion offenbart eine Differenz von rund 9 Umdrehungen pro Minute bei jedem Gangwechsel und hat somit ein optimal breites Spektrum. Bei der Rohloff sind es hingegen schon 11 Kurbel-Umdrehungen pro Minute (ähnlich einer 2×11 Kettenschaltung / eine 1×12 Schaltung benötigt dann schon 13 upm pro Gang).
Gangwechsel / durchnittliche Cadence :
Pinion P1.18: 9 Umdrehungen/min
Rohloff Speedhub: 11 Umdrehungen/min
Zum Vergleich:
2X11 MTB: 11 Umdrehungen/min
3X10 MTB: 11 Umdrehungen/min
1X12 MTB: 13 Umdrehungen/min
2X10 MTB: 13 Umdrehungen/min
Pinion C1.12: 14 Umdrehungen/min
Punkt Pinion
Kriterium Kraftübertragung / Effizienz
Die Website “cycling about” (sehr empfehlenswert) hat einen fundierten Test (lab tests) angelegt. Darin wird versucht darzustellen, wie groß der Verlust an Pedalkraft in den beiden Getrieben ist.
Für die Rohloff meldet „cycling about“ eine durchschnittliche Effizienz von 94,5% über alle Gänge hinweg. Das Pinion Getriebe im Tretlagerbereich kommt durchschnittlich auf etwas weniger, und zwar 90,5%. Ob der Alltagsradler diese 4% Unterschied im täglichen Betrieb spürt, wird uns wohl letztlich verborgen bleiben. Die pure Mathematik listet hier zumindest einen Punkt für Rohloff.
Der Erklärungsversuch wird zumindest mitgeliefert: gibt man die Kraft auf das Pinion Getriebe, verursachen die großen Kurbelwellendichtungen, schneller laufenden inneren Zahnräder, das kleinere vordere Kettenblatt und die etwas höhere Kettengeschwindigkeit höchstwahrscheinlich den etwas größeren „Schlupf“, bzw. die größere Reibung.
Punkt Rohloff
Kriterium Gewicht
Vergleicht man beide Systeme, sieht man schnell die unterschiedliche Konzeption. Rohloff integriert sein Getriebe in einer Nabe, Pinion verbaut die komplette Einheit auf Höhe des Tretlagers (und benötigt natürlich trotzdem eine Hinterradnabe).
Das Gesamtgewicht einer Rohloff, inkl. Züge und Schaltgriff wird mit knapp 2000g (lt. Website 1820g) angegeben
Eine Pinion bringt insgesamt rund 900g mehr auf die Waage, auch für die Aufnahme der Box kommt nochmal ein Gewicht on Top. Alles in allem also mehr als 1Kg Mehrgewicht zulasten der Pinion.
Charmant in diesem Zusammenhang auch der Hinweis in der Rohloff Werbung mit dem Argument „~120 Gramm pro Gang“ eine der leichtesten Nabenschaltungen überhaupt (bei der Pinion sind es dann 150g/Gang).
Punkt Rohloff
Kriterium Geräuschkulisse
Die Rohloff ist bekannt dafür „Ganggeräusche“ von sich zu geben, im Besonderen sind es m.W. die Gänge 7 und 11 (das sind die Gänge, bei denen sich dann alle Zahnräder im Inneren drehen). Pinion hingegen summt still vor sich hin und ist im Vergleich zur Rohloff kaum zu hören.
Punkt Pinion
Schaltung/Performance
Auch dieser Punkt ist maximal nur „einen Hauch different“. Beim Rohloff Gangwechsel ist der Schaltwiderstand in den verschiedenen Schaltkombination der Zahnräder geringfügig höher, während die Pinion über alle Gänge hinweg gleich „smooth“ bleibt. In der Praxis ist dieser „Pluspunkt“ meines Erachtens vernachlässigbar, zumal es Fans in beiden Lagern gibt. Einer mag es weich, der andere etwas knackiger.
Punkt Pinion/Rohloff
Kriterium Ölwechsel
Beide Systeme laufen in einem gedichteten Ölbad, beide Systeme sind gekapselt und sollten regelmäßig einen Ölwechsel erfahren.
In beiden Fällen geht das (auch für ungeübte) leicht von der Hand und dauert mit allem drum und dran (Bier aus dem Keller holen und bereit stellen) maximal 20-30min. Bei mir ist das immer ein schönes, alljährliches Ritual (also der Ölwechsel, nicht das Bier).
In der Regel verlangt eine Pinion Box nach ~10tausend Kilometern frisches Öl, während die Rohloff offiziell einen Wechsel nach 5000km empfiehlt. Beide geben aber auch an, dass spätestens nach einem Jahr der Ölwechsel erfolgen soll.
Punkt Pinion
Kriterium Preis
Beide Systeme schmälern das Konto, keine Frage. Auf der anderen Seite gilt aber auch: beide Systeme sind ihr Geld wert. Pinion ruft jedoch nochmal ein paar Euronen mehr auf – das mag von Bike-Anbieter zu Bike Anbieter leicht variieren, aber wer im etwa gleiche Bikes (sprich Äpfel mit Äpfeln – soweit das hier möglich ist) miteinander vergleicht, der zahlt tendenziell bei einem „Apfel-Rohloff“Bike etwas weniger wie bei einem „Apfel-Pinion-Bike“.
Punkt Rohloff
Kriterium Produktmanagement / Erfahrung
Pinion ist im besten (pubertierenden) Alter. 2006 haben sich die ehemaligen Porsche Ingenieure auf den Weg gemacht. Da war Bernd Rohloff schon ein paar Tage länger an der Werkbank tätig. 1996, also 10 Jahre früher, erblickte die erste Rohloff Speedhub das Licht der Welt und wurde stolz auf der damaligen IFMA in Köln präsentiert.
D.h. nunmehr 25 Jahre Produktionserfahrung gegenüber 15 Jahre Pinion auf dem Markt. Das sind „netto“ 10 Jahre Differenz – und auch hier einmal mehr mathematisch – mehr an Erfahrung. Wahrscheinlich lässt sich auch die Summe an gefahrenen Rohloff Kilometern (380,000km+) gegenüber einem Pinion Getriebe statistisch ermitteln und zu einem Vorsprung kalkulieren.
Fakt ist aber unumstritten: beide Markteilnehmer wissen sehr wohl um die technischen Feinheiten Ihres Produktes und beide schöpfen sehr erfolgreich und auf höchstem Niveau aus dem Fundus Ihres Wissens, welcher jahrelang gereift ist.
Punkt Rohloff
Kriterium Garantie
Pinion bietet eine 5 Jahres Garantie, Rohloff hingegen die übliche 2 Jahres Garantie.
Soweit das formale – ich habe in der Mongolei schon Biker getroffen, die in Russland seitens Rohloff perfekt und kulant bedient wurden (nur aufgrund der Zollformalitäten lange warten mussten) auf der anderen Seite wurden auch Pinion Fahrer, sollte mal ein Ersatzteil benötigt werden, rund um den Globus mit sehr gutem Service begleitet.
Es sei die Anmerkung erlaubt, dass im Falle eines Falles, die Pinion Getriebebox schneller und einfacher ausgetauscht oder repariert ist, als die Rohloff Speehub aus der Felge zu bekommen.
Punkt Pinion
Kriterium Nachrüstbar- und Austauschbarkeit
Vorteil Rohloff. Hier braucht man keinen speziellen Rahmen, keine extra Aufnahme für die Gear Box. Auf dem Markt sind entsprechende Kits für nahezu jeden Standard Rahmen erhältlich, sodass sich eine Rohloff eigentlich in jedes Bike integrieren lässt (das Wort eigentlich, sollte man eigentlich in die Verbannung schicken).
Wer ein Rohloff Hinterrad hat und zwei Rahmen (die dieses auch aufnehmen), der kann mit einem Laufrad, zwei verschiedene Bikes versorgen.
Auch der „Rückbau“ auf eine herkömmliche Kettenschaltung ist ebenso möglich, wenn man beim Verkauf des gebrauchten Rads zum Beispiel seine Rohloff „retten“ will.
Das ist bei Pinion konstruktionsbedingt nicht möglich. Wer sich einmal dafür entschieden hat, der fährt fortan mit Pinion. Bestenfalls rüstet er mal von der 6er, 9er oder 12er auf die 18 Gang Pinion um.
Punkt Rohloff
Kriterium Reifengrößen / Variabilität
Hat sich der Rohloff User eben noch über das Argument der Austauschbarkeit gefreut, so darf er nun sich trollen.
Es gibt heutzutage etliche Rahmen auf dem Markt, die verschiedene Laufradgrößen aufnehmen und somit den Einsatzbereich eines einzigen Bikes um einiges erweitern. Egal ob fatte 26×4,0 oder 27,5 x 3,0 Plus oder schlanke 29 x 2,25 – das geht. Wer einen Pinion Rahmen hat, der tauscht einfach die Laufräder (ok, ok, die kosten auch Geld) und schwupp aus 1 mach 3 ohne den teuren Gesamt-Invest in ein Komplettbike bzw. jeweils eine Getriebeeinheit (die bei Rohloff pro Laufrad erforderlich wäre). Der Punkt geht an Pinion.
Punkt Pinion
Kriterium Mountain Biking
Der Mountainbiker wird wohl eher zu einer Pinion greifen. Ich selbst habe ein Centurion Numinis mit Rohloff gefahren und kann mich gut an die doch relativ unangenehme Heck-lastigkeit erinnern.
Durch die zentrale (und etwas tiefere) Lager der Getriebeeinheit im Tretlagerbereich ist der Schwerpunkt einfach mittig, zudem hat man nicht soviel anzutreibende und schwerere Masse am Hinterrad. Hinzu kommt, dass bei einem Fully die Fahrperformance und der dynamische Ritt mit einer Pinion einfach Vorteile bietet.
Last but not least: Pinion kommt mit einem kleineren vorderen Kettenblatt zurecht, was nochmals etwas mehr Bodenfreiheit verschafft.
Punkt Pinion
Kriterium “wer schiebt liebt”
Wer sein Bike liebt, der schiebt es auch schon mal. Das eben erwähnte schwere Heck bei einer Rohloff macht die Trage/Schiebepassagen auch nicht angenehmer.
Ausschlaggebend für den Pinion Punkt ist aber hier vielmehr die Tatsache, das sich die Kurbeln bei einer Rohloff auch schiebend mitdrehen – das kann besonders mit Flatpedals und scharfen Pins zu unangenehmen Situationen auf engen Trails führen. In diesem Fall ist Pinion einfach die bessere Option.
Punkt Pinion
Kriterium E-Bikes
Freilich gibt es E-Bikes mit beiden Getriebeausstattungen. Mittlerweile sind jedoch die meisten E-Bikes mit einem (sinnvollen) Mittelmotor ausgestattet.
Da Pinion genau an dieser Stelle aber den Platz für das Getriebe „beansprucht“, punktet die Rohloff in der Kategorie (populärer) Mittelmotor.
Zudem bietet Rohloff einen kompatiblen Shifter an, der mit dem Motor insofern „kommuniziert“ als dass er ihn wissen lässt, wenn die Kraft für den Schaltvorgang etwas zurück genommen werden muss. Dadurch erzielt man mit der Rohloff einen äußerst geschmeidigen Schaltvorgang an E-Bikes.
Punkt Rohloff
Kriterium Kabelwechsel
Keine meiner Rohloff oder Pinion Kabel sind (bislang) je verschlissen. Bei der Rohloff, so die Fachwelt, ist der Kabelwechsel jedoch einfacher zu handhaben. Hierzu gibt es im Netz ein Tuturial Video, das nur halb so lang dauert, wie der Kabelwechsel selbst.
Punkt Rohloff
Kriterium Zubehörmarkt Shifters
Sowohl Rohloff Speedhub als auch die Pinion Getriebebox kommen mit klassischen Drehgriffschaltern. Die Fa. Velospring aus München bietet sogar eine Holzversion dessen an – sehr fein. Der Markt bietet aber auch in ganz kleinem Maße einige Alternativen.
Die Firma Cinq beispielsweise hat die Integration für Rennradlenker oder Mountainbiker Shifter (ala Shimano) geschafft. So kann man z.B. die 11 Speed Sram oder Campagnolo Shifter nutzen um die Rohloff „anzutreiben“. Auch bei Tout Terrain Bikes und Velotraum findet man diese Lösungen.
Es gibt im Nachrüstmarkt noch die Fa. Co-Motion, die einen Alternativen Shifter für die Pionion anbietet. Meines Erachtens gehört dieser Punkt klar in die Kategorie „nice to have“ und ist bestenfalls ein Individualisierungsmerkmal denn eine tatsächliche Optimierung des Systems. Klar, wer bevorzugt einen Rennradlenker an seinem Bike fährt, der sucht nach Alternativen zum Drehgriff.
Punkt Rohloff
Fazit : Rohloff Hub vs Pinion Gearbox
Ihr seht schon. So einfach ist das nicht. Und da kann man auch nicht eindeutig sagen „Sommerreifen sind im Winter eindeutig schlechter wie Winterreifen“. Es gilt die alte Juristen Weisheit: „… es kommt darauf an“.
Sieht man sich meine kleine Tabelle an, und würde die Punkte ohne Gewichtung gegenüber halten, stellt man fest „pari“ (9:9). Erst wenn man nach ganz eigenem Gusto gewichtet, und damit auch schon wieder angreifbar wird (was ist wichtiger: Gewicht oder Geräusch?), dann könnte man, wenn man denn einen Sieger krönen möchte, einen kleinen Vorteil herausarbeiten. Letztlich sollte dieser Tabelle noch ein weiteres – entscheidendes! – Kriterium hinzugefügt werden: der Bauch. Was der Bauch einem sagt, ist in aller Regel meist richtig, abseits aller wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Tabellen und Daten.
Beide Systeme haben ihre (wohl bekannten) Vor- und Nachteile. Diese Ausarbeitung hier soll nur ein kleiner Denkanstoß für all jene sein, die ein paar Hintergrund Facts mehr brauchen. Eine abschließende und allumfassende Wahrheit bietet sie nicht.
Eine Pinion ist vielleicht „more sexy“ als eine Old school Rohloff, die einen Kick leichter und schneller ist, dafür ist die Pinion das Mittel der Wahl, wenn der Einsatz individueller wird oder ein MTB zur Disposition steht. Letztlich sind beide Systeme im Bereich High End angesiedelt, beide haben sich ihre Sporen bereits redlich verdient, und beide kann der Autor mit reinem Gewissen aus eigener Erfahrung nur wärmstens empfehlen.
Finally
Wer sich jetzt – zu Recht – immer noch unsicher ist, weil wie man sieht, sieht man nix, bzw. muss einräumen, dass es in diesem „Kampf“ keinen KO Sieger oder Verlierer gibt / geben wird, dem sei ein Geheimtipp anvertraut: man sehe sich das Schindelhauer Pinion / Rohloff Bike an, welches am 01.04.2021 das Kettenöl der Welt berührte und beide Systeme in einem Bike vereinbart – vielleicht ist eines noch zu haben. Wer sich hierfür entscheidet, der muss sich dann nicht mehr länger mit der Frage Rohloff oder Pinion beschäftigen.
Super Zusammenfassung!
Die ist Gold wert!
Da mir mein altes Rohloffbike mit Zahnriemen geklaut wurde, stehe ich gerade vor der Entscheidung der Neuanschaffung.
Was mir bei der Zusammenfassung fehlt:
Drehmomentverträglichkeit…
Ich hab im Hinterkopf, dass die Rohloff Drehmoment sehr gut verträgt, weswegen die auch bei Tandems eingesetzt werden kann.
Bei E-Bikes werden z.B. „normale“ Nabenschaltungen Drehmomenttechnisch gedrosselt.
Wie ist das bei der Pinion?
Rohloff hat laut Website max. Drehmoment 130Nm, Pinion ein max. Eingangsdrehmoment von 250Nm. Wie kann man das verorten?
Hintergrund: ich bin schwer und ich fahr nicht über Drehzahl. Bei Ritzelschaltungen hat das Ritzelpaket maximal ein Jahr gehalten, dann war das Ding rund – von den Ketten damals reden wir erst gar ned… 😉
Hallo Stefan … dankeschön. Ich habe mich mal kundig gemacht:
Die beiden Drehmoment Angaben lassen sich nicht direkt vergleichen da vor der Rohloff immer noch Die Übersetzung des Riemen/Kettenantriebes kommt. Das Pinion Getriebe verarbeitet immer direkt die Kraft die durch den Fahrer auf die Kurbeln aufgebracht wird. Die Rohloff hat eine vorgeschriebene Mindestübersetzung, bei schweren Fahrern(+100kg) und Tandems ist das ca. 2,50. Das bedeutet man muss immer Riemenscheiben/Kettenräder im Verhältnis 2,5:1 davor schalten muss um das Drehmoment welches an der Kurbel entsteht zu reduzieren. Das Pinion Getriebe bekommt das Drehmoment direkt von der Kurbel dies ergibt sich also auf Kraft und Länge des Kurbelarmes, ohne das eine Reduktion des Drehmomentes vor dem Getriebe erfolgt, wie bei der Rohloff der Fall. Das hat nun folgenden Vorteil, man kann die Bandbreite des Pinion Getriebes beliebig ins leichte verschieben da man die sekundär Übersetzung so klein wählen kann wie man möchte. So kann man mit Gepäck auch sehr lange steile Anstiege bewältigen.
Das geht bei der Rohloff nicht da die Sekundär Übersetzung 2,5 zu 1 nicht unterschreiten darf. Somit ist es nicht möglich die Bandbreite der Rohloff beliebig ins leichte zu verschieben. In der Praxis kann man sagen sind beide Produkte gleich robust und kräftig allerdings hat Pinion den Vorteil, dass ich, sollte ich ein sehr schweres Gefährt haben immer noch genügend kleine Gänge zum Klettern habe. Nachteil ist wird der Fahrer sehr schwer kann es sein dass er das offizielles Fahrergewichtslimit von 110kg erreicht. Wobei dieses Gewichtslimit auch extremste Downhill Einsätze einbezieht.
Hoffe, die Antwort hilft Dir nach vorne .. Lg Udo, ride on
Hallo Udo,
danke für den tollen Vergleich – ich stehe vor einem Travel-&Trekkingbike-Kauf und muss mich für eines der Systeme entscheiden.
Mein „Bauchgefühl“ hatte bisher „Pinion“ gesagt, wegen des tiefen Schwerpunktes, des großen Bereichs, der (theoretischen) Möglichkeit auch unter Last schalten zu können und der geringeren Geräusche. Dein Vergleich scheint mich zu bestätigen.
ABER: Was fehlt ist der folgende Aspekt: Bei Pinion ist einhändiges oder freihändiges Fahren oder ein kräftiges Treten in die Pedale am Berg mit einem unkalkulierbaren Sturz- und damit Verletzungsrisiko verbunden! Das sollte unbedingt mit erwähnt werden, um den Lesern eine informierte Kaufentscheidung zu ermöglichen.
Was es damit auf sich hat: Ich habe von dem bauartbedingten Problem mit dem sporadischen „Durchrutschen“ der Pinions gelesen, das etliche User beschreiben und das auch Pinion selbst als bauartbedingt hochoffiziell dokumentiert (PDF: Werkstatt Checkliste „Durchrutschen“): Gelegentlich tritt man für 10-30 Grad „ins Leere“, und zwar nicht nur direkt nach einem Schaltvorgang, sondern es kann auch einige Zeit nach dem Schalten auftreten.
Das ist ein ganz entscheidender (für mich alles entscheidender) Punkt, der leider in deinem Vergleich fehlt. Von Rohloff sind mir solche Probleme nicht bekannt.
Damit scheidet Pinion für mich leider aus. Denn wenn ich 4-7 Tausend Euro für ein Rad ausgebe und dann trotzdem nicht sorgenfrei in die Pedale treten oder einhändig/freihändig fahren kann, weil ich immer mit einem plötzlichen „Durchrutschen“ („Ins-Leere-Treten“) und einem daraus resultierenden Gleichgewichtsverlust und Sturz rechnen muss, und wenn ich von Pinion dann trotz der 5-Jahres-Garantie keine Hilfe erwarten kann (vgl. unzählige User-Berichte), dann kommt das für mich nicht in Frage. Was Pinion hier mit „in sehr seltenen Fällen“ bezeichnet, das passiert bei einigen Usern mehrmals pro 50 km. Und das Auftreten ist rein zufällig und auch Last-unabhängig, also unberechenbar, weil man im Getriebe „nicht drinsteckt“ und darum anders als bei der Kettenschaltung kein Gefühl für den Zustand der Schaltung hat, also nicht ahnen kann, wann der nächste „Durchrutscher“ passieren wird. Es fährt also eine ständige Angst mit. Auch wenn du selbst das „Durchrutschen“ noch nie erlebt hast, könnte mich das nicht beruhigen, denn das hieße ja nur, dass es bei Pinion diesbzgl. große Toleranzen gibt und es ein reines Glücksspiel wäre, was ich für ein Exemplar bekäme – denn laut Pinion ist das gelegentliche Durchrutschen ja ganz offiziell normal und kein Mangel! Für so ein Glücksspiel wären mir 4000-7000 € ein zu hoher Einsatz.
Bei einem 200 EUR Discounter-Rad wäre das evtl. noch verschmerzbar – aber eigentlich auch da nicht, denn was hilft mir der günstige Preis, wenn ich stürze und mich schwer verletze oder auf einhändiges/freihändiges Fahren komplett verzichten muss? Dann würde ich so ein Getriebe noch nicht mal geschenkt nehmen. Andere mögen anders gewichten/abwägen, dies sind nur meine persönlichen Schlussfolgerungen aus der Faktenlage.
Danke auch an Hans‘ Kommentar (20. November 2022 um 15:22 Uhr) zu dem 11. Gang der Rohloff-Schaltung – gut zu wissen, dass hier Wirkungsgrad am besten und Geräusch bei Null ist – das könnte dann bei geeigneter Ritzel-Auslegung der „Geradeausfahr-Gang in der Ebene“ für lange Touren werden.
Lieber Michael, danke für Deine Mühe, so ausführlich Deine Gedanken darzulegen. Erlaube mir aber die „Widerrede“. Ich habe schon 3 Rohloffs und aktuell seit ca. 4 Jahren die Pinion er- und überlebt. Auf dem Rennstahl 831 sind ca. 15-16T KM drauf, mit meinem Kumpel (ebenfalls Pinion 831) waren wir 2022 rund 4000km rund um die Ostsee unterwegs. Ich würde also mit Fug und Recht behaupten, ich kann auf ein paar Erfahrungskilometer zurückblicken. In der Tat ist bei mir der Gang auch schon mal durchgerutscht (genauso wie es Dir auch bei der Kettenschaltung passieren kann). Meine Antwort darauf ist: „na und“? … Freilich, wenn alles zusammenkommt, freihändig, tretend, niedrige Geschwindigkeit und diese Sekunde „durchrutschen“ bei gleichzeitiger Unkonzentriertheit …. ja: theoretisch sage ich: wenn alles blöd läuft, könnte man stürzen. Man kann aber auch stürzen, wenn man freihändig einen Kiesel übersieht (egal welche Schaltung) oder freihändig und beladen mit dem Bike ins schlingern gerät, oder wenn – freihändig – die Katze von rechts in welches Rad auch immer springt. Versteh mich nicht falsch: ich kann Dir Deine Bedenken nicht nehmen, ich kann nur sagen: für mich wiegen sie auf der Waage nix oder maximal nur extrem wenig. Die Erfahrung gibt mir (bis heute!) recht. Drum bleibe ich bei meinem subjektivem Urteil: die Pinion ist die bessere Rohloff, mehr Bandbreite, toller Schwerpunkt, LRS Wechsel kostengünstiger u.v.m. … natürlich auch wissend, dass ich an einen Rahmen gebunden bin, das ganze kein Leichtgewicht ist (aber wir suchen ja kein 8,xkg Carbon Hardtail ohne Licht und Rack), etc. pp –> siehe Tabelle. Kurzum: ich respektiere Deine Meinung, so ganz teilen kann ich sie aber nicht. Ride on, Udo
Hallo zusammen
Ich habe je ein Rad mit Pinion (C12) und Rohloff und muss sagen, dass beide (so wie oben beschrieben) ihre Vor- und Nachteile haben. Was nicht wirklich Eingang in den Vergleich gefunden hat ist der Schaltgriff. Meine Erfahrung ist, dass der Pinion Griff bei Regen fast unbrauchbar ist wenn man keine Handschuhe anhat. Bei Rohloff kann immer problemlos geschaltet werden da der Griff nicht rund ist.
Hall Hans-Jörg, danke für Deinen Beitrag … bzgl. Deiner „Griff-Erfahrung“ kann ich Dir nicht zustimmen. Fahre nunmehr bereits knapp 20T Km seit 3,5 Jahren mit dem pinion Drehgriff und das im Grunde 365 Tage im Jahr – ich habe diese Erfahrung (noch) nicht gemacht. Lg & eine schöne Zeit, Udo
Die Haltbarkeit der Rohloff:
Diese Betrachtung vergisst ganz wesentliche Unterschiede zwischen beiden Getrieben. U. a. ist der 11. Gang geräuschlos, weil dies der Direktgang der Schaltung ist (speedhub). Und hier kommt ein schwerwiegender Vorteil der Rohloff gegenüber der Pi ins Spiel: Die Getriebekonstruktion „Planetengetriebe“ hat immer einen Direktgang. Bei speedhub ist das generell der 11. Gang. Dieser Gang ist ein 1:1-Gang und die Gesamtübersetzung eines Rades hängt in diesem Falle nur ab von Ritzel hinten und Kettenblatt vorne. Wenn man nun, und das ist meistens so angelegt, Ritzel und Kettenblatt so wählt, dass man da seine durchschnittliche Fahrübersetzung hat, bedeutet das, dass die Schaltung immer dann, wenn 11. Gang, keine Getriebeverluste und somit auch keinen Getriebeverschleiß hat. Ich fahr meine Rohloffs zu etwa 90% im 11. Gang. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass eine Rohloff viele 100.000 Km läuft, ohne Probleme. Eine Pi mit dem Stirnradgetriebe (alle Zahnräder sind IMMER im Eingriff!!!) kann da nicht mithalten. Auch von der Seite muss der Gesamtwirkungsgrad der Rolf höher sein, als der der Pi. Für Vielfahrer sit das ein gewichtiges Argument (falls die diesen Schaverhalt kennen).
Gruß Hans
Hallo Hans, danke für den kompetenten Beitrag. Ich würde für mich mal in Anspruch nehmen, weitaus häufiger zu schalten, als 90% in einem Gang zu verbringen, aber das mag an der Topografie liegen 🙂 … Aber ich lasse Deinen Punkt widerspruchslos so stehen. So haben die Leser einen weiteren (wichtigen) Aspekt. Stay tuned. Udo
Vielen Dank für diesen Hinweis – das ist wirklich gut zu wissen! Dann also idealerweise beim Kauf die Ritzel der Kette/des Riemens so wählen, dass auf ebener Strecke bei normaler Tourengeschwindigkeit der 11. Gang der Hauptgang ist.
Ich nochmal 🙂 … auch hier: der 11. ist einer von 18 Gängen (bzw. 14 bei der Rohloff) … ..und auch hier: mein persönliches Schaltverhalten ist/war tatsächlich bisher immer so, egal ob Kette, Rohloff oder Pinion. Die Verteilung der Nutzung der Gänge wird, würde man sie statistisch auswerten wahrscheinlich hauptsächlich in der Mitte und natürlich auch immer wieder mal ganz oben, ganz unten, liegen. 🙂 … darum gibt es Gänge. Lg Udo
Hallo, tolle Analyse, danke! Bin gerade in genau dieser Entscheidungslage. Ein weiteres Kriterium möchte ich ergänzen: Hatte die Situation, dass eine leicht undichte Rohloff ihr Öl verloren hat. Wohin? Natürlich auf die Bremsscheibe des Hinterrades. Das ist sehr blöd und macht für mich einen zusätzlichen (und hoch gewichteten) Punkt für Pinion. Nachdem das Hinterrad zu Rohloff eingeschickt war, war die Nabe schließlich dicht genug. Und Tipp vom Händler: bei Ausstattung mit Scheibenbremsen höchstens halb so viel Öl in die Nabe tun…
Viele Grüße und weiter so!
Hallo – dankeschön. keep on ridin, lg udo