Kleine Touren statt großer Reise

In Corona-Zeiten fällt die lange Sommerreise für viele voraussichtlich aus. Jetzt heißt es, auf kleinen Touren die Umgebung zu erkunden. Das ist unter den Schlagworten „Microadventure“, „Feierabendteuer“ oder „Kleine Fluchten“ bereits seit geraumer Zeit ein Trend. Dieser kann vor dem Hintergrund der Einschränkungen durch Covid-19 weiter an Fahrt aufnehmen. Lest selbst ein paar Tipps und finde Deine ganz persönliche Inspirationen.

Die Idee ist so einfach wie bestechend: Man packt seine Sachen und bricht zu einem Abenteuer direkt vor der Haustür auf – am besten abseits von Asphalt und bekannten Wegen. Kein langwieriges Suchen im Netz, keine aufwendige Buchung und kein wochenlanges Warten bis zum Start. Stattdessen direktes Machen und Erleben. Die Formate sind sehr verschieden. Die romantische Ausfahrt mit Picknick zu zweit fällt ebenso darunter wie eine Schnitzeljagd zum Kindergeburtstag – das klappt sogar mit dem Enkerl. Hier spielt das Fahrrad seine Trümpfe aus: „Mit dem Fahrrad ist man zügig und flexibel, nimmt seine Umwelt dennoch intensiv wahr“, erläutert Jasmin Schejbal von Winora und ergänzt: „Mit dem Rad kommt man an Orte, die weder mit Bus und Bahn noch mit dem Pkw erreichbar sind – und die ganze Familie kommt dabei auf ihre Kosten.“
Das erklärt vielleicht auch, warum Microadventures besonders gerne mit dem Rad in Angriff genommen werden. „Ein spezielles Rad braucht es dafür natürlich erst einmal nicht“, weiß Stefan Stiener vom Reiseradspezialisten Velotraum, verweist jedoch darauf, dass es natürlich besonders geländegängige und universelle Räder gibt, die mehr Komfort, Fahrspaß und Flexibilität geben. Sie sind auf dem Markt unter den Begriffen „Bikepacking“ oder „Gravel“ zu finden – by the way: demnächst wird hier ein aufsehen erregender Abenteuer „Finder“ sein Debüt finden. In der Corona-Krise ist diese Form der Radreise äußerst beliebt, vor allem weil die lang geplante Fernreise entfällt. Dabei lernt man seine Heimat besser zu schätzen, wie das Beispiel (BaWü statt Schottland) zeigt.

egal wie weit man fährt ….

Formatfrage

Grundsätzlich kann zwischen Tagesausflügen und Fahrten mit Übernachtung, sogenannten „Overnightern“, unterschieden werden. Letztere sind zur Zeit wegen geschlossener oder nur eingeschränkt geöffneter Hotels und Campingplätze sowie bestehender Corona-Regeln nicht für jeden umzusetzen. In der Szene wird nicht selten auch wild gezeltet. Aber aufgrund der Waldbrandgefahr in vielen Gebieten ist von Lagerfeuern abzuraten. Verantwortungsvoller ist es, einen Bauern vorher zu fragen, ob man dessen Wiese nutzen darf, den Garten von Freunden anzusteuern oder auf Portalen wie 1nitetent zu buchen. Eine goldene Regel sollte sich jeder auf sein Oberrohr gravieren: „verlasse den Platz sauberer als Du ihn vorgefunden hast“ – wenn wir (W*I*R) das allesamt beherzigen, wird niemand mahnend den Zeigerfinger heben oder gar Regularien-treibend durch die Instanzen ziehen.

hinterher alles wieder aufräumen
hinterher alles wieder aufräumen, gell

Ziele

„Ohne TUI-Reiseleitung beginnt der Spaß erst richtig“, witzelt Peter Wöstmann vom Taschenhersteller Ortlieb und meint damit, dass das Freiheitsgefühl, das viele Menschen am Radfahren schätzen, mit der Auswahl des Ziels beginnt: Baggersee, alte Ruine, kleiner Fluss im Tal, markante Anhöhe am Stadtrand, verlassenes Waldschwimmbad, malerische Lichtung oder einsame Schutzhütte im Wald, sprudelt es aus Wöstmann heraus. Der Firmensprecher bricht selbst regelmäßig zu Microadventures per Rad auf und sein Arbeitgeber hat eigens für solche Fahrten ein Bikepacking-Taschensortiment im Programm. Ortlieb, ganz made in Germany, gehört zur Szene, wie der FCB in die erste Liga. Dennoch ist das Angebot vielfältig und für alle Geschmäcker ist das passende Setup dabei. Seht auch meine Bikepacking-Taschentests hier im Blog – weitere folgen in Kürze (u.a. Brooks und Topeak)

Ortlieb

Zielkonflikte vermeiden

Corona hat gezeigt: Der Nutzungsdruck in Naherholungsgebieten ist besonders im Umfeld größerer Städte gegenwärtig besonders hoch. „Wer clever ist, fährt nicht direkt in diesen Freizeitstau hinein“, rät Sebastian Marten von MTB Cycletech und verweist im Anschluss auch auf den erhöhten Aktionsradius, den E‑Antriebe für viele Radler bedeuten. Zusätzlich liefert er noch einen Tipp: „Wer antizyklisch unterwegs ist, der umgeht große Menschenaufläufe.“ Er empfiehlt, bereits früh morgens oder eben später am Tag auf Tour zu gehen. Sinnvoll hierfür ist eine ordnungsgemäße Beleuchtung (SON ist hier der Platzhirsch der Szene, aber auch Supernova und Lupine können ordentlich leuchten). Zusätzlich ist auch eine Stirn- oder Taschenlampe sinnvoll (meine Top-Lampen stammen von Sigma und Petzl) . Diese leisten nicht nur in der Nacht vor Ort gute Dienste, sondern auch tagsüber in alten Tunneln oder Höhlen, womit wir bei Touren mit Kindern wären.

Nachts ist die Stimmung nochmal anders

Familienfahrten

Gerade Eltern junger Kinder sind in Corona-Zeiten auf Kreativität angewiesen, um den Ausfall von Kita, Schule und Sportvereinen zu kompensieren. Radausflüge bieten sich dafür an. Wichtig ist es nach Worten von Markus Krill, Geschäftsführer beim Anhängerspezialisten Croozer, die Ziele nicht zu ambitioniert zu wählen und ausreichend Pausen einzulegen. Ein Kinderanhänger sei nicht nur ideal, um den Nachwuchs von A nach B zu transportieren, sondern auch, um Spielsachen, Kleidung und Decken mitzunehmen, selbst wenn die Sprösslinge bereits selbst pedalieren.

geht immer und macht soooo viel Spaß

Solche kleinen Ausflüge oder Abenteuer sind für Kinder auch ideale Übungsfahrten für die spätere Radfahrt in Kindergarten oder Schule. Die Ziele liegen häufig verkehrsarm und sind damit gutes Übungsrevier für angehende Radler. Wessen Nachwuchs selbst pedaliert und wer „nur“ einen Transportanhänger benötigt, der sollte sich mal den Hinterher genauer ansehen.

Träumchen

Was immer dabei sein sollte

Es gibt einige elementare Ausrüstung, die auf jedem Ausflug dabei sein sollte: Ersatzschläuche, Flickzeug und eine kleine Luftpumpe sind Klassiker. „Vor der Abfahrt die Reifen richtig aufpumpen. Dabei die Druckangabe auf der Reifenflanke beachten und den Reifen auf Risse und Splitter untersuchen“, rät Sarah Baukmann vom Pumpenspezialisten SKS Germany. So ließe sich manche Panne im Vorfeld vermeiden. Reifenheber und Multitool komplettieren dasWerkzeugset. Weil Wetterumbrüche niemals auszuschließen sind oder mancher bei schattigen Pausenorten schnell auskühlt, rät Anna Rechtern vom Outdoor-Ausrüster Vaude, mindestens eine Lage Bekleidung, etwa eine Windweste u. ä., dabei zu haben. „Und ein kleines Erste-Hilfe-Set passt in jede Radtasche, sollte deshalb nicht fehlen. Letztlich freut man sich, wenn man dieses ungenutzt wieder mit nach Hause bringt“, so Rechtern.

soviel braucht es dann doch nicht ….

Ausrüstungstipps fürs Mini-Abenteuer vom erfahrenen Bikepacker Gunnar Fehlau, Leiter des pressedienst-fahrrad und etwas neutralisiert bzw. ergänzt von Udokah:

1. Große Taschen

„Ich freue mich sehr, dass Bikepacking-Taschen auch in wasserdichter Ortlieb-Qualität zu bekommen sind. Das ‚Seat-Pack‘ mit Ventil lässt sich einfach straff und steif am Rad befestigen und das ‚Accessory-Pack‘ ist eine Offenbarung in Sachen Ordnung und Komfort.“ / da hat er Recht grundsätzlich gilt zum Thema Taschen aus meiner Sicht aber: jeder sollte sich auf dem mittlerweile breiten Markt umsehen und etwas genau für seinen Anwendungsfall passendes auswählen (nicht jede Tasche passt perfekt zu einem Fully, nicht jeder Lenker mal die Lenkerrolle. Das Ziel ist nicht die maximale Anzahl von Taschen zu verbauen, sondern sein Equipment möglichst perfekt am Bike unter zu bekommen).

was Mann alles so braucht

2. Kleine Taschen

„Eine Fahrt ohne ‚Jerrycan‘ (fürs Werkzeug), ‚Gastank‘ (Snacks) und ‚Mountain Feedbag‘ (Kamera, Handy, Ministativ) – allesamt vom Pionier Revelate Designs ist für mich schlicht undenkbar. Die Taschen sorgen für schnellen Zugriff.“ / Dem ist nix hinzuzufügen. Siehe auch meinen „Kleintaschen„Beitrag hier im Blog.

Revelate Designs

3. Lager-Jacke / Lager Hose

„Ich habe immer eine Primaloft-Jacke (‚Men’s Minaki Jacket‘ von Vaude) dabei, denn diese Kunstfaser ist weniger witterungssensibel als Daune und lässt sich auch auf dem Rad tragen.“ / Ein Muss für den Vielfahrer – ich hatte in der Mongolei meine Freney Jacket und Weste dabei und war bestens gerüstet. Aktuell ziehe ich meine Orthovox Jacke (Swiss Wool) kaum mehr aus.

„Was für die Lager-Jacke gilt, trifft auch auf die Hose zu. Mein Favorit stammt von Vaude: ‚Men’s Minaki Shorts II‘. Die neueste Generation hat Lüftungsnetze mit Reißverschlüssen an den Beinen, sehr praktisch in den Bergen!“

4. Schlauchtuch

„Ein Schlauchtuch ist Helmmütze, Halstuch oder Maskenersatz in einem. Das erklärt, warum ich meistens zwei Stück dabei habe.“ / Da frag ich den Gunnar: „nur zwei?“ … ich hab viele und alles sind super – wiegen nix, nutzen viel und sind multifunktional. Unersetzbar.

5. Minipumpe

„Kleine Pumpe mit großer Wirkung: Die ‚Airflex Explorer‘ von SKS Germany lässt sich kompakt im Gepäck verstauen. Bis zu fünf Bar kann man im Notfall mit der Pumpe in den Reifen bringen. Durch ihren Gummigriff liegt sie bequem in der Hand.“

6. Erste-Hilfe / Reparatur Set

„Erste-Hilfe-Sets hat man dabei und ist stets sehr zufrieden, wenn man sie anschließend zuhause unbenutzt wieder ins Regal legt.“

„Ein Sortiment von rund einem Dutzend Kabelbindern wiegt nicht viel und kann bei allerlei Improvisationsmaßnahmen guter Helfer sein. Gleiches gilt für ein paar Meter Gaffer-Tape (mein Favorit ist Gorilla-Tape), die ich um meine Mini-Pumpe gewickelt habe.“

ein Pflaster dabei zu haben, macht immer Sinn

(Text mit freundlicher Zuverfügungstellung (c) pd-f, Gunnar Fehlau) Der im übrigen mit seinem kleinen, aber feinen Buch das Thema hier sehr elegant behandelt. –> „ „>Buchtipp !