Oberstdorf zum Lago Maggiore

Einmal mehr mit dem Bike über die Alpen – Traumwege

Prolog / Tag 1

Die Nacht ist etwas unruhig und ich träume Quatsch. Befinde mich um 5:40h zu Fuß (!) auf der Kreisstraße nach Traunstein und sehe am Straßenrand ein Auto stehen, nachdem sich fünf Leute darin befinden, erübrigt sich der Gedanke sich dazu zu setzen. Und irgendwie wird mir just in dem Moment bewusst, das ich hier mit einer Plastiktüte in der Hand, offensichtlich doch was ganz wesentliches vergessen habe: nämlich meinen Rucksack und – und das ist eigentlich noch wichtiger, aber komischerweise erst der zweite Gedanke- vor allem auch mein Bike. Hallo? Der Zug geht um 6.08h. Unchristlich. Und während ich mich joggend auf den Rückweg mache, darüber nachdenke ein Taxi zu rufen, merke ich wohl irgendwie etwas schräg geträumt zu haben. Blick auf die Uhr: 3:51h. Noch eine gute Stunde Schlaf, Entwarnung, der Alpx 2013 wurde nicht mit Plastiktüte ohne Bike eröffnet. Nochmal Glück gehabt. 5:08h, der Wecker klingelt, 6:08h der Zug verlässt den Traunsteiner Bahnhof. Der Alpencross, mein nunmehr dreizehnter, hat begonnen.

Ready to Go

Oberstdorf, klassischer Startpunkt, doch dieses Mal nicht über den legendären Schrofenpass, sondern in Richtung Bregenzer Wald, Lichtenstein und dann hinunter in die Schweiz an den malerischen Lago Maggiore. Wir rollen eine ganze Weile auf Asphalt in Richtung Silbratsgfäll dahin. Das Gelände ist wellig, die Sonne knallt unbarmherzig. Bisher war es moderat, nun wird es steiler und heißer. Schönbach liegt wunderbar auf einem Hochplateau. Dort geht es in die Wand über den Stoggersattel. Steil und garstig bäumt sich der Buckel bei knapp 35°C vor uns auf. Ich verliere Korn um Korn. Mühsam. Äußerst. Mit jedem unserer heute „läppischen“ 1100 Höhenmeter wird mir bewusst, dass die eigentlichen Herausforderungen noch vor uns stehen. Als wir schließlich die sonnenüberflutete Terrasse im Hotel Post in Au erreichen, schicke ich ein kleines Stoßgebet nach oben. Herr gebe mir die Kraft ….

frohgemut

Tag 2 – Au bis Gampenalpe

2309 Höhenmeter / 59 Kilometer

Ich hatte solche Angst. Die 1100 Höhenmeter gestern haben mich fertig gemacht, wie soll ich die heutige Tour schaffen? Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Kann eigentlich nicht sein, da trainiert man mehr oder weniger konstant ganzjährig und dann erschlagen einen diese vergleichsweise harmlosen elfhundert Höhenmeter.

Wir verlassen den beschaulichen Ort Au und rollen zunächst entlang des imposanten Berges  Kanisfluh hinunter durch den schönen Bregenzer  Wald. Die Freude währt nur kurz: links hoch. Und nicht nur hoch, sondern sehr hoch. Das es 1000 Höhenmeter am Stück werden würden, wussten wir, doch das die ersten 500 davon teilweise extrem steil ausfallen, davon hatte uns keiner was gesagt. Sehr unkomfortabel. Doch wir sind etwas hartnäckiger als der Berg selbst. Wir meistern die Rampen, die gestrige Schwäche hält sich dezent im Hintergrund. Je weiter wir kommen, desto schöner wird der Blick. Die hoch gelegene Kriegbodenalpe steht im Sonnenlicht und markiert sehr schön und markant unser erstes Zwischenziel. Oben angekommen empfängt uns eine kleine Kapelle und ein pfeifender Wind.

hinter Au

Die erste Hürde ist geschafft und ich fühle mich nach diesen 1100hm besser als gestern bei 900. Doch der Tag ist noch lange nicht vorbei. Wir haben noch ein Stück des Weges vor uns.

Wir stürzen ins Tal. Bremsenschonend, wie immer. Die Abwärtssause wird abrupt gebremst, ein Murenabgang hat einen kompletten Straßenabschnitt samt Brücke weggespült. Wir müssen unser Klettersteigset hervorzaubern. Der Ort Nenzing markiert nun die Einstiegszone weitere 1100 Höhenmeter Anstieg. Gampenalpe das Tagesendziel. Durch den Wald, auf einem eher unspektakulärem Forstweg führt mühsam, langwierig und irgendwie auch ungemütlich, der Weg zur Berggastätte Mattlajoch. Hier oben war anscheinend den ganzen lieben langen Sonntag eine Art Volksfest im Gange. Jubel, Trubel, Heiterkeit allerorten. Von überall her klingen volksmusikalische Klänge, großes Gelächter und viel Tohuwabohu hier oben. Egal. Endstation erreicht. Wir grinsen, trotz aufziehender Wolken.

kurz vor der Gampenalpe

Tag 3 & 4 – Gampenalpe – Bad Ragaz  – Lenzerheide

Ca. 3000 Höhenmeter / 104 km

Kein Regen. Wir schälen uns aus unserem 8m2 Zimmer. Der Wirt zaubert ordentlichen Kaffee und auch frisches Brot, Semmeln, Käse, Wurst und Marmelade hervor. Draußen gammeln die Wolken rum, aber es schaut nicht bedrohlich aus. Start. Der Anstieg zum Mattlerjoch ist rauh, die Steigung moderat, kurz vor dem Einstieg in die Schiebepassage fängt es zu tröpfeln an, aus den Tropfen werden konstante Fäden, daraus schließlich ein ordentlich nachhaltiger Regen. Der Trampelpfad macht seinem Namen wenig Ehre, ordentliche Beulen verhindern ein komfortables Schieben, immer wieder muss man das Bike stemmen. Der Blick zurück zeigt uns, wie weit wir schon voran getrieben sind. Ganz weit hinten lacht die Gamp Alpe zu uns herauf. Es scheint sich einzuregnen. Wir erreichen nach zwanzig schiebenden Minuten das Joch und müssen nun schnell handeln. Regenkleidung.

Richtung Lichtenstein

Wir stranden in Steg. Ein vergleichsweise müdes Dorf in Lichtenstein. Das einzige Hotel am Platz hat seine besten Tage vor ca. 20 Jahren gehabt. Nun ist es eine baufällige Ruine am Straßenrand. Das Café Seeblick wird uns empfohlen. Wir zögern nicht lange, Martin friert, immerhin fährt er ohne Regenhose und ohne Beinlinge. Nach kurzer Verweildauer und einem kritischen Blick in den Außenbereich fällen wir eine folgenschwere aber doch unvermeidbare Entscheidung: wir lassen die Pfälzer Hütte links oben liegen und rollen rechts hinunter nach Triesens, weiter nach Maienfeldt von dort nach Bad Ragaz. Endziel Schlosshotel. So kommen wir ungeplant aber letztlich äußerst komfortabel zu einem entspannten Wellnessnachmittag, während draußen der liebe Herrgott seine kompletten Wasservorräte hergibt.

Dafür starten wir am Tag4 viel früher. Schon um 9 Uhr. Ziel Kunkelspass auf 1357m. Kehre um Kehre überwinden wie den ersten Anstieg, noch sind die Beine frisch und auch die Temperatur scheint gemäßigter, zumal sich ab und an eine nette freundliche weiße Wolke vor die Sonne schiebt. Der Blick auf die imposanten umliegenden Berge macht all das zu einer kurzweiligen Sache. Mächtig ragen diese Teile auf und wir mittendrin. Oben auf der Kunkelspass Alpe herrscht reger Betrieb. Unser Plan für den Nachmittag scheint moderat, über eine Anhöhe, vorbei an Chur in Richtung Bike Eldorado Lenzerheide, fertig. Um 16 Uhr sind wir am Hotel, meint zumindest Martin und ich mein das auch.

Tunnelblick

Die Höhenmeter noch komfortabel in zwei Scheibchen aufgeteilt, einmal 600, einmal 150, also „alles locker“.  Dachten wir. Der Schotterweg führt steil bergab nach Tannis, ein finsterer Tunnel sorgt für Abwechslung. Es klingt vielleicht etwas verweichlicht und wenig hartgesotten hochalpin, ABER der folgende liebliche Weg ist eine Wucht. Weicher Waldboden, immer wieder Blicke ins Tal, der unten verlaufende Fluss ist eine malerische Schlangenlinie, die schroffen Steinfelsen, teilweise mit Überhang, vermitteln tolle Motive. Lovely, lieblich, wie wir mehrfach feststellen müssen.

AlpX Ways

Zudem, irgendwie scheint es nun nicht mehr allzu weit zu sein, kommt ja bald die verdiente Endstation, unser Hotel, Der Pfad wird schmäler und auf einmal bäumt sich Weg derart steil auf, das uns hören und sehen vergeht. Steil, steiler, Rampe. Jenseits der 25%  – gnadenlos, aber da uns just in diesen Moment Wanderer entgegen kommen, gibt es kein Erbarmen. Wir justieren uns ganz vorne auf die Sattelspitze und hangeln uns im kleinsten Gang nach oben, bis zur ersten Kehre, davon ausgehend, dass dann wieder Schluss ist, schließlich ist das Höhenmeter Tagesziel ja schon längst erreicht!? Nach dieser ersten Kehre folgen zwei weitere, nicht weniger heftige, die wir mit zweimal Absetzen fluchend und herzrasend meistern. Das war anstrengend im Quadrat. Nun aber sollte sich mal so langsam das Etappenziel ankündigen. Es geht immer weiter hoch, und auf einmal macht der Track auch noch einen engen Bogen am Hang entlang und offenbart eine Felsgalerie, die gut und gerne an das legendäre Val di Uina erinnert. Ok, noch ein wenig bergan, dann aber bitte Schluss für heute. Wir steuern auf 17h zu.

über die Kante

Schließlich landen wir in Muldain, von Parpan keine Spur. Um es kurz zu machen: gegen 18h checken wir im Hotel Bestzeit ein, nachdem wir nochmal ordentlich Höhenmeter dazu addiert haben. Dafür heißt es nun: Wunden lecken, Radler bestellen, Duschen, Bikes klarmachen, all das und schließlich essen fassen, genießen, reflektieren .

Tag 5 – Parpan – Alvers Juv

2444 Höhenmeter – 72km

Wir kommen früh auf. 7:20h, Frühstück. Wie so oft, es wird schließlich doch 9 Uhr bis wir die Pedale in Gang setzen. Eine Stunde später stehen wir in Muldain am Abzweig und wieder auf dem Original Track.

Idyll

Es geht bergab, wir lassen es brettern und münden nach Überquerung der Hauptstraße am Zubringer nach Mutten/Obermutten. Gut 1000 Höhenmeter am Stück sind nun zu bewältigen. Erst auf Asphalt, dann ab der Hälfte auf Schotter, der zunehmend garstiger sich aufrichtet. Obermutten selbst ist traumhaft schön gelegen, inmitten eines Wiesenhangs, der Blick auf schneebedeckte Berge ist überragend, die alten, teils historischen Häuser in diesem beschaulichen Fleck Erde sind einzigartig. Herrliches Panorama. Kurze Rast, dann geht es weiter, die Wirtin warnt uns noch, das wir nun die Bikes „stoßen“ müssen, aber wir lassen uns nicht irritieren. Es kommt ein kleiner aber doch etwas vertrackter Trail. Sehr eng schlängelt er sich am Hang entlang, teilweise maximal 20cm breit, verwinkelt, und teils auch verblockt, wellig sowieso. So kommen wir nicht direkt zügig aber letztlich doch ganz gut voran.

Umdrehung für Umdrehung

Dann spuckt der Wald uns aus und wir dürfen downhillen. Irgendwann ist der schönste Tiefflug zu Ende und als wir unten im Ort Andeer anschlagen, bleibt nur glückliches Männergrinsen. Wir notieren kurz nach 13h als Uhrzeit, kein Grund zur Panik. Um 16h sind wir wahrscheinlich am Hotel.  Doch diese Rechnung haben wir ohne den Wirt gemacht. Bis Zulis geht es erst einmal noch 150-200 Höhenmeter bergan, dies über steile Stiche und Offroad, sodass der Spaß sich in Grenzen hält. Ist das geschafft, dürfen wir wieder 150 Höhenmeter abschmelzen um dann die nächsten gut 1000 (!) erneut in Angriff zu nehmen. Eine Schild weist auf den Sachverhalt hin: 1080 Höhenmeter auf den nächsten 38 Kilometern. Klingt locker, erweist sich aber als zermürbend. Die Landschaft ist überwältigend. Wildeste reißende Bäche, tiefe Schluchten, Bergflanken, all das im steten Mix unter strahlend blauen Himmel und bei bestem Wetter. So schrauben wir uns unnachgiebig diese Passstrasse hinauf, der Hintern schmerzt, der Fuß drückt, der Rucksack zieht nach unten, der gewählte Gang ist immer zu groß oder zu klein. Kurzum: schwere und vor allem langwierige Arbeit. Mal geht es gerade, mal leicht hinunter, dann wieder eher steil wie flach bergan. Eine kleine Qual, die nur – das aber unablässig – vom unfassbar schönen Panorama versüßt wird. Wahnsinn. Endlich, es schlägt gerade 18 Uhr, kommen wir am Etappenziel an. Hotel Bergalga. Mit einem Ausblick, der einem nochmals den Atem verschlägt. Wir genießen die kommende 3-4 Stunden im Relaxmodus, essen, trinken, schreiben, genießen. Glück pur.

Tag 6 – Avers Luv (Bergalga) bis Garzeno

1386 Höhenmeter /  87 km

Wir starten gut gestärkt vor grandioser Kulisse. Das Wetter ist derart märchenhaft Blau, Weiß, Grün, das es schon als kitschig bezeichnet werden muss. Geht gar nicht anders. Unglaublich schön, unglaublich Postkarten-like. Die letzten Bergdörfer werden passiert und schon führt es auf den Abzweig links über die Almweisen hinauf in Richtung Forcelina. Immer wieder bleiben wir stehen um ein Foto zu schießen eines von vorne, eines von hinten, und dann gleich noch eines von jeder Seite. Zu schön. Doch die Freude währt nicht lang, dann wird aus dem Weg ein Pfad und aus dem Pfad ein Trampelpfad und damit einhergehend wird es auch noch steil. Willkommen bei einem echten Anstieg. Willkommen zu 70 Minuten Schieben. Es wird beschwerlich, wie ein Bandwurm schlängeln sich ganz enge und extrem steile Serpentinen nach oben. Fünf Schritte schieben und wuchten stehenbleiben, schnaufen, die nächste Kehre. Steine und steile Stufen sind als zusätzliche Hindernisse zu überwinden und gelten als Sonderprüfungen. Mein linkes Pedal wird an diesem Vormittag mehrfach meine rechte Wade lädieren, der Weg ist zu eng, als das ein halbwegs erträgliches Nebeneinander von Biker und Bike möglich wäre. Es bleibt mühsam, nur der Blick zurück und und voraus entschädigt über die Maßen. Es ist unverändert superkitschig schön.

up !

Meter um Meter geht es vorwärts. Immer wieder bietet sich die willkommene Gelegenheit (und begründbare Entschuldigung gleichermaßen) zu einem Fotostopp und damit auch zu einer Verschnaufpause. Geschafft: Gipfelkreuz Forcelina. Die Kulisse ist nicht zu überbieten. Soweit das Auge reicht Berge, schneebedeckte Gipfel, grüne Hänge, Bergseen, Steinfelder und Schneereste des vergangenen Winters. Stopp. Pause. Break. Auszeit.

Helden

Wir inhalieren dieses Panorama. Machen Fotos, schauen uns die Augen wund und sind etwas skeptisch in Bezug auf die kommende Trailabfahrt. Ist sie fahrbar, oder steht uns das gleiche Schicksal bevor wie beim Anstieg. Schieben, schieben? Es sollte besser kommen. Schon die ersten Meter sind gut fahrbar, kleine Stufen und Absätze müssen kontrolliert angefahren werden, doch frisch ausgeruht ist das gut machbar. Körperspannung und dann geht es hinunter ins Tal. Doch von 2672m auf deutlich unter 1000m ist es ein weiter Weg. Wir Zirkeln durch die Steinwüste, nur vergleichsweise selten müssen wir absteigen um große Stufen oder Hindernisse zu überwinden. Es geht gut voran, wir sind fast überrascht, haben wir doch mit größeren Schwierigkeitsgraden gerechnet. Doch auf einmal wird unterhalb des Septimerpasses aus dem Schotterweg von eben ein ganz giftig bockiger Stein- und Karrenweg. Blumenkohlgroß die Steine, garstig steil das Gefälle und immer wieder scharfkantig querstehende „Regenrinnen“. Eine imposante kleine Steinbrücke hier, der Blick ins Tal dort, der wahrhaft rustikale Weg und vieles mehr machen das Ganze jedoch zu einer kurzweiligen Angelegenheit. Zwei Biker, ein Pärchen, kommen uns mit geschulterten Bikes entgegen. Nicht zu beneiden. Sollen wir Ihnen verraten, was vor Ihnen liegt. Besser nicht.

Der Übergang von „Unfahrbar“ zu „lass es krachen“ verläuft nahezu abrupt. Auf einmal endet der Knüppel-Steig und der Schotterweg lädt zum Downhillen ein. Helm, Brille, Rucksack fixieren und los geht’s. Nun in Richtung Schweizer/italienische Grenze. Der Wegweiser meldet „St. Moritz 50 / Milano 129 km“. Willkommen im Süden. Weiter geht es bergab, komfortables runtergleiten. Sinkflugmodus. Wir haben noch nicht wirklich viel Strecke gemacht und noch ein ganzes Stück des Weges vor uns. Wir sind längst nicht am Ziel. Bis Gravedona sind es noch etwa gute zwanzig Kilometer, dort wird nicht Schluss sein. Ich könnte den See leertrinken, so einen Durst hab ich. Die Hitze ist entsprechend. Gravedona oder Garzeno? Ein Unterschied von gut 400 Höhenmetern und 7 Kilometern. Doch wir haben Glück, oder Pech je nach Sichtweise. Das einzige Hotel auf dem Weg hinauf zu Passo Jorio in Garzeno hat ein Zimmer frei und somit ist klar: nochmals die Wadeln stramm machen, es geht hoch. Auf Teer, aber doch eher steil windet sich die Bergstraße nach oben. Ich befinde mich vom Akku her bei meinen letzten zehn Prozent. Irgendwie mag ich nicht mehr aber wat mut dat mut. Endlich, 19 Uhr, wir landen im Bergdorf Garzeno. Aus, Schluss.

sunset

Tag 7 –  Garzeno – Locarno

1607 Höhenmeter /  75 Kilometer

Heute, so war die gestrige Vereinbarung, starten wir einmal früher. Also nicht um neun, sondern vielleicht gerne mal um acht oder so. Aus diesem Grund lassen wir das italienische Frühstück ausfallen, ein Cappuccino und ein kleines Croissant muss reichen. Denn es stehen 1400 Höhenmeter am Stück vor uns. Kurz nach acht sind wir geschickt. Wir Rollen die Bikes aus dem Hotelflur. Meines fühlt sich „komisch“ an. Der Vorderreifen hat nur noch zur Hälfte Luft. Es hilft nichts: Rad raus, Mantel runter, Schlauch rein, Pumpen und dann endlich um 8.30h ist Abfahrt. Immerhin. Für unsere Verhältnisse, doch ganz passabel.

Es geht hoch, der Anstieg liegt größtenteils im Schatten. Noch gibt die Landschaft nicht viel her, außer gelegentliche Blicke hinunter auf den Comer See. Doch je höher wir kommen, desto prächtiger (und auch wärmer) wird es. Unnachgiebig stemmt sich der Berg uns entgegen. Der Schotter ist locker und grob, der Vortrieb entsprechend mühsam. Weit oben können wir das Rif. Jorio schon entdecken. Das Schotterband macht noch ein großes V und dann sollten wir oben sein. Der Untergrund wird lose und die Steigung schlimmer.

mühsam

Oben am Jorio gilt es nun erstmal rasten. Radler, Kuchen, Siesta. Noch 50 Höhenmeter auf die Passhöhe schieben, dann ist der Peak des Tages erreicht. 2014m. Wer nun glaubt, es gehe entspannt bergab, der irrt. Wir brauchen fast eine Stunde um den Trail, der nur minimalst fahrbar ist, entlang des Hanges zu queren. Stufen, Absätze und sonstige Hindernisse stellen sich uns in den Weg. Flow definiert man anders. Es bleibt mühsam.

Träumer

Ein letzter Gegenanstieg und dann scheint der Großteil der Alpencrossarbeit 2013 getan. Vor einem Tunnel, der zwei Bergflanken von einander trennt, führt nun eine etwas schlampig geteerte Straße hinab. Sinkflug again. Es geht kilometerweit bergab, gut, das ich gestern die Bremsbeläge gewechselt habe.

letzter Trail

Von 1800m auf 300m, das muss man erstmal schaffen. Herrlich. Die Temperatur im Tal ist einmal mehr schwül und mediterran dampfig. Nun „nur“ noch dreißig  Kilometer bis zum Ziel. Die üblichen Körperfunktionen melden entsprechende Mangelerscheinungen. Vorbei an einem Openair Museum, durch schattige Wälder, auf holprigen Radwegen geht es Meter für Meter vorwärts. Es zieht sich ordentlich. Der Plan „16h am Hotel“ geht einmal mehr nicht auf, doch als wir gegen 16.30h an der Uferpromenade entlang rollen, sind alle Schmerzen vergessen. „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, würde die freundliche Dame von der Navigation sagen. Welcome to Locarno am Lago Maggiore. Wunderbar. Eintauchen. Zwei Radler, ein Eisbecher. Geschafft. Schön. 11800 Höhenmeter, ca 435 Kilometer, ein Regentag, ein „halber“ Platten, kein Sturz, eine lädierte Wade, ein lädiertes Schienbein. Alles gut. Wir sind glücklich und auch ein wenig stolz.

Lago Maggiore

*** © Udo Kewitsch***