853 klingt so ähnlich wie die berühmte 42 von Douglas Adams. Doch mir ist sie zu kryptisch. Daher suche ich noch nach einem passenden Namen für mein 853. Für was? Mein Rennstahl 853. Verstehste? Nein, ok – fangen wir ganz vorne an.
Das Rennstahl 853 ist eine Reisemaschine, ein Arbeitstier, ein Workaholic, ein Panzer, ein Zugpferd, eine (schwere) Rakete. Das 853 ist mein Fahrrad für alle Fälle. Es gibt so Fälle, da verliebt man sich schnell. Das 853 stand unschuldig an der Seite, eines von vielen, die da damals standen. Doch mein Blick blieb hängen und – zugegeben – ich musste es auch kurz berühren. Glänzend schwarz mit roten Akzenten. Edel und anmutend wie es sich präsentierte. Das ist kein Flax, das ist Fakt. Es gibt Räder und es gibt Räder. Das 853 ist ein richtiges Rad. Ergo, wollte ich es haben, besitzen, ausführen …. testen, ja – ein vulgäres Wort – gebrauchen. Das war im März, nun steht der August vor der Tür und wir waren seither zweitausend Kilometer (2000km) miteinander unterwegs. Aus Flirt wurde Freundschaft. Eine fürs Leben? Lest selbst.
853 – Der Rahmen. Stahl ist schon mal etwas für die Ewigkeit. Die Firma Rennstahl hat sich daher der Manufaktur von soliden Stahlrahmen verschrieben (Falkenjagd produziert ausschließlich edle Titanräder). Die Besonderheit am 853 ist der Antrieb. Er beherbergt ein 18 Gang Pinion Getriebe – so ziemlich das Beste, was der Markt an Antriebskonzepten zu bieten hat (in gleichem Atemzug wird nur noch Rohloff erwähnt). Das bedeutet aber auch: wer sich für Pinion entscheidet, entscheidet sich auch für einen speziellen Pinion-Rahmen. Das Getriebe wird auf einer Platte unterhalb des Tretlagers am Rahmen platziert und erlaubt später kein anderes Antriebskonzept (während man einen „herkömmlichen“ Rahmen mit Kettenschaltung durchaus auch mal auf Nabenschaltung umrüsten kann und umgekehrt). Das heißt es gibt Pinion Rahmen und „normale“ Rahmen. Über Vor- und Nachteile von Ketten- versus Getriebschaltungen wurde viel diskutiert und meines Erachtens überwiegen die Langlebigkeitsvorteile gegenüber dem (marginalen) Gewichtsvorteil der Kette. Von Wartungsarmut und Verschleißfreiheit mal ganz zu schweigen. Das Pinion Getriebe hat gegenüber der Rohloff zudem noch den Vorteil, dass es mittig im Rahmen und tiefer wie die Getriebenabe sitzt. Hinzu kommt, dass die 18 Gänge eine wirklich phantastische Übersetzungs-Bandbreite bieten (636% !!!!!). Nochmal langsam sechshundertsechsunddreißig. Das ist Rekord.
Die Rohloff bietet schon tolle 526%. Doch die Pinion legt mit einer Übersetzung von 0,71 bis 4,55 noch Zähne zu und macht somit pro Kurbelumdrehung 1,42 bzw. 9 Meter gut. Ach ja: die Moto Pedale sind ne Wucht: wer sie haben mag klickt hier.
Zurück zum Rahmen. Stahl und Pinion gerecht. Die Lackierung ist hochwertig und robust (bislang blieb auch der schöne Glanzeffekt bestens erhalten). Anlötpunkte sind für Reiseradler vorhanden, wenngleich die gerne genommenen Bikepacking Ösen für die Anything Cages vorne fehlen. 3 Flaschenhalter sind Traveller Standard und Gepäckträger vorne / hinten obligat. Dennoch kommt das „große Schwarze“ schlank daher, wirkt keinesfalls so wuchtig wie manch einer seiner Alu-Kollegen. An Verarbeitung und Schweißqualität gibt es nichts, aber auch rein gar nichts zu mäkeln. Bike Engineering in Germany!
Die Komponenten. „Nur vom Feinsten“ um es gleich mal auf drei Worte zu reduzieren. Der SON Nabendynamo ist das Beste was man für Geld kaufen kann (ebenso der SON Edellux II Frontscheinwerfer), die Tune Hinterradnabe reiht sich hier nahtlos ein. Auch die Laufräder, von Tune eingespeicht, sind eine Bank. Auf 27,5 Zoll laufen die großvolumigen 3,0er Schwalbe Pneus, die ordentlich dämpfen und Grip bieten. Die hauseigenen Titan Flaschenhalter sind ebenso edel wie die Falkenjagd Titan-Sattelstütze, der Falkenjagd Titan-Lenker und die beste Klingel ever (SpurCycle – nur eine Klingel, aber was für eine !!).
Der edle Brooks Ledersattel wurde von mir ebenso nachgerüstet, wie die hochwertigen (gefederten !) Velospring Holzgriffe (montiert war ein schwarzer Brooks Cambium Sattel und Ergon Griffe). Ebenfalls verbaut ist eine „ThePlug“ Steckdose, die bei Bedarf USB Verbraucher direkt mit Strom versorgt (eine technisch noch effizientere Lösung ist m.E. nur noch der Forumslader, der sich aber nicht immer so formschön integrieren lässt). Die Rennstahl Gepäckträgerrohre sind ebenso wenig gegen etwas optischen Abrieb gefeit wie die Tubus Träger, wenn man häufig die Ortliebtaschen an- und abklippt Last but not least: auch das SON Rücklicht passt optisch sehr wertig ins Konzept, wenngleich ich das Supernova Taillight etwas „pfiffiger“ finde. Dass die Lichtanlage natürlich auch eine Standlichtfunktion hat, ist in diesem Preissegment selbstredend. Auch die sehr stabilen, völlig wackelfreien SKS Schutzbleche sollten nicht unerwähnt bleiben.
Abschließend noch das wichtigste Bauteil. Die Pinion Schaltung überträgt die Kraft an einen Gates Riemen, der – soweit die Auskunft von Rennstahl bzw. Gates – für 25.000 Kilometer Laufleistung gut ist, die Gates Scheiben halten gar 65000km. Der etwas höhere Preis des Systems wird dadurch wieder wettgemacht, ABER es bleibt der Vorteil, dass – einmal montiert – der Riemen keiner weiteren Pflege bedarf. Schmierige Ölhände gehören damit der Vergangenheit an, das Geld für die eingesparte Nachschmierung investiert man gut in Pausenbiere :-).
Soweit die inneren Werte. Wie sieht es im Fahrbetrieb aus?
On the Road mit dem 853. Ich sagte es ja bereits: ein Arbeitstier, eine Reisemaschine. Der tägliche Ritt in die Arbeit ist eine Freude, nichts bringt das 853 aus der Ruhe. Einen Wermutstropfen gibt es und der gilt für jeden Einsatzbereich: das 853 ist keine Gazelle, kein Leichtbauprojekt. Es wiegt keine 8,53 Kilogramm, eher knapp doppelt soviel. Dies ist zum einen der Vollausstattung geschuldet, andererseits auch der stabilen, unkaputtbaren Konstruktion. Stabil und laufruhig zieht es seine Spur, es ist kein Trailkünstler, der um die Ecken flirrt, dafür ist es nicht gebaut. Es ist ein Long Distance Tourer, ein Lastenesel, ein unerschütterlicher Partner auf Schotter ebenso gerne wie auf Teer. Laufruhe und Komfort kennzeichnen die Fahrt. Agilität steht im Lastenheft nicht ganz oben – aber niemand will mit dem 853 Sekunden gut machen. Da geht es mehr um Stunden Reisegenuss, egal ob es am Ende des Tages ein wenig länger dauert. Komfortabler als auf einem Carbon Bock komme ich allemal ins Ziel (mal davon abgesehen, dass im hintersten Indien (oder Erzgebirge) niemand einen zu Bruch gegangenen Carbon Bock schweißen kann).
Die Übersetzung macht es einem leicht beschwerliche Pässe zu bewältigen. Die Spezifikation erlaubt eine üppige Zuladung von 185kg (!! – Reiter und Gepäck) … was aber dann natürlich ein dynamisches Vorankommen auch etwas hemmt. Unbepackt im Alltagsbetrieb macht der Ritt mit dem 853 einfach nur Freude. Die Schaltung ist jeder Fahrsituation gewachsen, einerlei ob im nervösen Stadverkehr oder im ruhigen Überlandbetrieb. Nix klappert, nix scheppert, keine Kette die „kettelt“, kein Schutzblech, dass sich meldet. Alles stabil, alles harmoniert, nur der manchmal keuchende Atem des Piloten ist zu hören, aber das ist eher dem Trainingszustand geschuldet und wird im Laufe eines Jahres ja auch immer besser. Ganz selten, soviel Ehrlichkeit muss sein, kam es vor, dass ein Gang nicht sauber „eingelegt“ war (mit der leichtgängigen Drehgriffschaltung tatsächlich auch mal möglich), dann „springt“ er im Getriebe entsprechend eins hoch oder runter, klingt dann sehr mechanisch, ist aber schnell vorbei und tut sonst nix.
Fazit:
+ solider Stahlrahmen in hoher Qualität
+ hochwertige Anbauteile und Komponenten
+ bestes Übersetzungsverhältnis mit 636%
+ wartungsarm (1x Ölwechsel/Jahr / alle 60Tkm Riementausch)
+ Laufruhig, stabil, unbeirrbar
+ hohe Zuladung
- – Gewicht
- – Preis
- – Kaum mehr Tuning Potential
- – Keine Farbauswahl
Kurzum: Das 853 ist eine Wucht in schwarz. Einziger Minuspunkt dürfte das Gewicht und der Preis sein (allerdings sei angemerkt, dass am Testbike nahezu die ganze Cremé della Cremé verbaut war – es fehlte vielleicht nur noch der Chris King Steuersatz). Einmal in Schwung macht das Fahren und Reise nur noch Spaß. Ein Bike fürs Leben. Nur einen Spitznamen brauch ich noch. 42 vielleicht? Vorschläge werden gerne entgegengenommen. Mehr Infos –> hier.
*** © Udo Kewitsch, Juli 19 / Zeichen 8261 / Zeilen 127 ***
Hallo Udo, tolles Bike! Danke für diesen Erfahrungsbericht. Super Fotos!
Beste Grüße, Jürgen
Dankeschön Jürgen, freut mich sehr ! Lg Udo
Hallo Udo, ich bin glücklicher Besitzer eines Rennstahl-Rades mit Pinionantrieb.
Zu der Top Ausstattung gehört auch ein „the plug“-Anschluss.
Leider kann ich mein Garmin Oregon 750 t damit nicht aufladen.
Hast Du dazu Erfahrungen und kann weiterhelfen?
Liebe Grüße aus Kiel
Bernhard Kaczenski
Hallo Bernhard, danke für Dein Feedback. Ich nutze konnte mein Garmin Edge 800 bisher gut laden – ohne Probleme … ABER, vielleicht hilft Dir ja ein Pufferakku, den man „dazwischen“schaltet … damit könnte klappen. By the den besten den man kriegen kann ist der Forumslader, einfach mal googeln. Beste Grüße, ride on, Udo
Tolles Rad das 853 Rennstahl PI !
Danke auch für deine Geschichte und den schönen Bildern.
Gruß Gerold
moin, nun fährst du das rad ja schon eine gewisse zeit. wie würdest du es mittlerweile beurteilen? was hättest du anders gemacht oder ist es immer noch perfekt für dich? 🙂 viele grüße aus norddeutschland!
Hallo Justus, ja gut über ein Jahr … das Urteil fällt unverändert positiv aus. Es ist eine Bank, stabil, robust, von hoher Qualität und hat mich bis heute nicht im Stich gelassen (ich fahre ganzjährig). Einziger Punkt, der manchmal etwas „zieht“ ist aufgrund von Stabilität und Robustheit das Gewicht. Wir sprechen nicht von einer Gazelle … aber das kann und will man bei Vollausstattung und dem Einsatzzweck auch gar nicht erwarten. Kurzum: love it. Grüße aus Süddeutschland, Udo