In 21 Tagen einmal mit dem Fahrrad um die grüne Insel
I had a dream. Es kam so über mich, eines Tages. Da denk ich so bei mir, „hach, wenn schon, dann richtig. Eine richtig lange Auszeit. Zeit haben. Überstunden abschmelzen, all die Hektik mal hinter sich lassen. Und aus dem Gedanken wurde dann schnell eine Vision, daraus ein Traum, daraus dann schließlich ein richtiger Plan. Ok, also auf nach Irland. Wie auch immer, einmal rundum soll es sein. Start in Dublin, dann, so die Empfehlung, gegen den Uhrzeigersinn zuerst in Richtung Norden. Die Dame am Air Lingus Schalter schaut mich etwa schief an, als ich meine Packtaschen mit 24kg einchecke – inkl. Bike macht das 40kg Systemgewicht. Der doofe Kapitän meldet „Regen in Dublin“. Egal, Dublin, ich komme. Um 2150h Ortszeit landet der Airbus A320 auf regennasser Landebahn. Draußen irische Ungemütlichkeit. Dublin selbst pulsiert. Musik an jeder Ecke, ein bunter Kessel Leben. Das Treiben in den Gassen ist unglaublich und doch so herrlich entspannt und relaxt. In Kneipen spielen Bands, die Menschen sind freundlich und herzlich, die Stimmung bestens.
Natürlich darf eine Stadtrundfahrt nicht fehlen. Die Tour mit dem Sightseeing Bus ist informativ und interessant, der Besuch des eindrucksvollen Trinity College ist obligat und ein Gang über die Fleet Street sowie ein Bier in der berühmten Temple Bar sorgen für ausreichend Vorfreude auf mein kleines Abenteuer.
Tag1 Dublin – Carlingford (120km, 6:48h) Es dauert keine 50 Meter, da baue ich den ersten Unfall: die Bushaltestelle lässt sich mit einem Bike ohne Gepäck einfach leichter umfahren und die Low Rider vorne waren wohl zu sperrig. Und hätte ich ich wenigstens doch mal eine Übungsfahrt im „bepackt“ Modus machen sollen. Zum Glück ist nichts passiert. Der erste Streckenabschnitt ist vergleichsweise unspektakulär. Durch Dublin, vorbei am Flughafen und auf einer ebenen Landstraße bis nach Drogheda und weiter nach Dundalk. Die Strecke ist flach aber man hat einen weiten Blick ins Land und Gelegenheit sich ans „irische“ ranzutasten.
Als Dundalk am Horizont erkennbar wird, ziehen dunkelgraue Wolken auf. Immerhin sind gut 90km schon in den Beinen. Bis Carlingford ist es noch ein gutes Stück des Weges. Die Unterkunft im B&B Mourneview ist wunderbar idyllisch, der Himmel stimmungsvoll und der Blick auf den umliegende Carlingford Mountain (582m) in diesem Wandergebiet eine perfekte Belohnung für die Mühen des ersten Tages.
Tag2 Carlingford – Belfast (116km, 6:43h) Irgendwie ahne ich es schon noch bevor ich den Vorhang beiseite schiebe: es regnet, nein es gießt. Also Regenkleidung herrichten und dann bei Nieselregen starten. Down to Carlingford, weiter nach Newry und von dort nach Downpatrick. Die Wegführung ist anders als gestern. Das Land viel bergiger, die Aussichten vielseitiger, die Straßen wellig. Ab und an lege ich eine kleine Rast ein und komme auf diese Weise nicht wirklich schnell voran. Downpatrick, 33km vor Belfast gelegen, hat eine imposante Kathedrale, hier liegt der irische Nationalheilige Patrick begraben. Weiter über Killeagh nach Comber. Up and down. Die Landschaft wechselt, immer wieder mal ein See oder ein schöner Flusslauf. Berge überall. Als ich jedoch die Vorstadt von Belfast erreiche, trübt der Himmel mächtig ein und es tröpfelt ein wenig. Belfast selbst präsentiert sich weitaus weniger lebhaft als Dublin und so endet mein Tag im Ramada Encore Hotel vergleichsweise früh.
Tag3 Belfast – Ballycastle (118km, 6:51h) Der Himmel über Belfast ist wolkenverhangen. Ich nehme den City Cycle Track entlang der Küste fast bis nach Carrickfergus und genieße wundervolle Panoramen an der Bucht von Belfast. Vor mir ist der Himmel weißblau, hinter mir dunkelgrau. Das Castle in Carrickferrgus ist ein Postkartenmotiv, die weiterführende Küstenstraße ebenfalls. Geniale Weitsichten, alles schön eben, meine Flucht vor den dunklen Wolken gelingt. Der gut ausgeschilderte Weg entlang der Causeway Coastal Road ist unbeschreiblich schön. Nach etwa 90km gabelt sich der Weg an einem Y – beide Schilder weisen den Weg Coastal Route. Ich entscheide mich für „rechts“ – ein fataler Entschluss. Kurz nach dem romantisch gelegenen Cushendun werde ich noch gewarnt: „very, very steep“. Ich mache mich mit der Vorwärtsstrategie auf dem Weg. Tachostand 98km. Extrem steil.
Ab und an muss ich zwangsweise stehenbleiben, auch weil das Panorama derart überwältigend ist (und natürlich auch ein ganz klein wenig, weil ich einfach 170 Puls habe). 16km geht es auf und ab. Das ganze in einer Szenerie, die ihresgleichen sucht. Es ist einsam und die Ausblicke sind fantastisch. Irgendwann ist der letzte Anstieg gemeistert und es geht flowig hinunter nach Balleycastle. Ich spüre meine Oberschenkel.
Tag 4 Ballycastle – Castlerock (74km, 5:24h) Erster Stopp heute: Rope Bridge. Legendär und spektakulär. Der Wind pfeift aus allen Löchern, aber der Himmel ist Blau. Weiter des Weges entlang der einzigartigen Küstenstraße zum noch berühmteren Giants Causeway. Die Kulisse ist grandios. Überhaupt ist diese heutige Tour unbeschreiblich atemberaubend: Bushmills, Portrush, dort den tollen Sandstrand bewundern, Portstewart, und weiter ins beschaulichere Castlerock. In der Nähe einer alten Ruine liegt wind- und halbwegs blickgeschützt hinter einer Hecke ein ebenso toller wie wilder Zeltplatz mit Aussicht auf Küste und Ruine. Kurz noch ein Besuch im kleinen Pub des Ortes. Der einzige Gast spricht dann noch ein vom Guinness herb verunreinigtes tiefirisch, sodass sich unsere Konversation auf woher, wohin, wie lang reduziert. Zwei Guinness und zurück ins Zelt. Es regnet. Richtig. Rein in den Schlafsack und dem Trommeln der Tropfen lauschen.
Tag5 Castlerock – Letterkenny (80km, 3:58h) Der Regen hat sich über Nacht gut gehalten, doch in den Morgenstunden ist er dem Wind gewichen. Dieser rüttelt ordentlich an meinem Zelt. Was nun? Schlafsack oder Rad? Klarer Fall: Rad, Abfahrt. Entlang des Radweges Nr.93 geht es beschaulich dahin. Immerhin trocken, aber sehr windig und vor allem sehr kühl. Die Route ist verkehrsarm, die Landschaft weiterhin schön, immer wieder werden Blicke hinüber zur Küste frei, Derry ist etwas größer und der Verkehr auf den letzten 10km bis dorthin nimmt spürbar zu. Ich halte mich zunächst in Richtung City Center, will aber lieber hinaus und die Landschaft genießen. Kurz darauf gilt: Sie haben Nordirland verlassen. Wenige KM vor Letterkenny dann wird aus dem minimal spürbaren Niesel schließlich doch Regen, aus dem Regen ein seltener Dauerregen, den ich im B&B Daleview mit zwei Übernachtungen erfolgreich überbrücke.
Tag 7 Letterkenny – Donegal (110km, 6:08h)Gut erholt geht es auf nach Donegal. In Richtung Fintown, entlang der ersten irischen Eisenbahnstrecke, die mittlerweile jedoch stillgelegt ist, wird es aufregend einsam und ursprünglich. Einige Anstiege gilt es zu bewältigen, aber diese sind vergleichsweise harmlos. In diesem Hochmoor voller Torffelder zeigen sich durchaus erwähnenswerte Berge. Mittlerweile hat sich der Himmel entschieden etwas freundlicher zu werden, Blau überwiegt, die weißen Wolken scheinen harmlos, es wird milder, auch der Wind hält sich etwas zurück. Es geht voran, und die letzten Kilometer nach Donegal sind wenig beschwerlich. Kurz vorher noch idyllische Blicke auf die Ausläufer des Nordatlantik und einige romantische Seen, sollte ich nicht mal wieder zelten? Insgesamt eine tolle Etappe, die wiederum so sehr von der Charakteristik der anderen Routen abweicht und von Einsamkeit geprägt ist. Ich erreiche ich Donegal in der Abendsonne.
Tag 8 Donegal – Sligo (90km, 5:05h)War es gestern Abend noch ideales Sommernachtswetter, so ist es heute morgen diesig und einmal mehr weinerlich. Ich bin trocken gestartet, es dauert allerdings nicht lange, da kommen die ersten Tropfen von oben. Wie schon gelernt ist der Guss von vergleichsweise kurzer Dauer. Entlang der Strecke immer wieder tolle Blicke auf die grünen Berge, vor allem den mächtigen, an den Ayers Rock erinnernden, 527m hohen Ben Bulben, dem Tafelberg vor den Toren von Sligo. Auch ein kurzer Abstecher zum Schloß Mullaghmore ist noch drin. Außer dem Tafelberg und gelegentlichen Blicken auf die Küste bietet sich nichts. Nach elenden durchregneten 22km gelange ich ins Zentrum von Sligo um dort zu erfahren, dass meine gebuchte Unterkunft noch weitere 12km außerhalb liegt. Am Ende des Tages nehme ich ein ausgiebiges, heißes Bad im Castle Dragan.
Tag 9 Ballygawley – Ballina (90km, 4:40h) Über mir ein zweigeteilter Himmel. Einmal, zu meiner linken, dunkelgrau dichte Regenwolken, zu meiner rechte lieblich weißblauer Sommerhimmel. Es ist wie in der Tagesschau: die eine Blase ist der Tiefausläufer, die andere das Hoch. Genau darunter, also zwischen diesen zwei Blasen, da fahre ich. Nur eine Frage der Zeit, welche der beiden sich durchsetzt. Pünktlich, als ich Templeboy erreiche, fängt es an zu kacheln. Es ist verrückt, die Straßen sind im Nu wieder trocken. Ich arbeite mich bis Easky vor, dort imposante Kulisse. Um mich rum nichts außer Einsamkeit und Natur. So weit das Auge reicht. Wer es einsam mag, der ist hier richtig. Am frühen Abend erreiche ich Ballina. Das Schild „Camping“ am Ortsausgang lässt mich kurz innehalten, die Sonne scheint, 90km sind völlig ok, also, schwenk nach rechts. Zelt aufbauen, Gemütlichkeit herstellen, alles prima.
Tag 10 Ballina – Mulrany (105km, 5:54h)Auf geht’s nach Kilala, dort den historischen Rundturm besichtigen, dann weiter in Richtung Downpatrick Head und Ballycastle. Der einsam aus dem Meer ragende Felsen ist beeindruckend. Alles sehr, sehr weitläufig, hügelig und Natur pur. War es beim Start noch sonnig hell, so wird es nun zunehmend grauer und unverbindlicher, prompt kommt der Wolkenbruch, der sich aber schnell wieder verabschiedet. Mittlerweile stehen 75km auf dem Tacho. Bis Mulranny, dem nächsten Ort, sind es noch 40km. Dazwischen liegt nichts als Einsamkeit. Man stelle sich vor: nichts, davon etwas weniger und dazu dann eine Portion Einsamkeit, Kargheit und bis zum Horizont keine Spur von menschlichem Dasein. Die Schafe laufen auf der Straße rum und die wenigen Häuser scheinen unbewohnt oder nur selten genutzt. Die Panoramen, der Wahnsinn. Endlos. So vergeht die Strecke unbeschwert, da die Landschaft schlicht grandios ist und nach dem letzten Anstieg das verschlafene Mulranny vor mir liegt. Wow. Was für ein Panorama. Zeit für ein erneutes B&B. So finde ich eine Herberge, die zwar etwas muffelt und aus dem letzten Jahrhundert scheint.
Tag 11 Mulranny – Clifden (95km, 5:06h). Das Müsli heute morgen machte den Eindruck, als ob es vor 10 Jahren schon dort stand. Überhaupt bin ich der einzige Gast. Aufgedeckt wurde vor ca. 10 Jahren schon einmal für ca. 20 Gäste. Ein etwas skurriles Ambiente hier. Es ist regnerisch. Abfahrt. 10.15h. Raus auf die Straße. Mein Navi zeigt ca. 30km bis Westport. Dort angekommen, ich bin klatschnass, ab ins erstbeste Café. Einen schönen dampfend warmen Cappuccino bitteschön. Es regnet unnachgiebig. Ok, kalkulieren wir mal hart: ich hab noch 2x 30km to go. Ab Leeane soll die Infrastruktur hinsichtlich B&B´s besser sein. Ergo, auf geht’s nach – so Gott will – Clifden. Die Landschaft unbeschreiblich, ich weiß ohnehin nicht mehr, wohin mit meinen ganzen Eindrücken. Es geht ebenso durch eine umwerfend einmalige Landschaft, Hügel, Berge einerseits, wilde Flussläufe andererseits, mit Eintritt ins Connemara kommt eine Portion Urwald hinzu. Das Kylemoore Abbey liegt ebenso idyllisch, wie die unzähligen Postkartenmotive am Wegesrand. Die letzten Kilometer führen mich (trocken) durch einen grüngrünen Dschungel. Bäume, Sträucher, Wiesen, Weiden, Blätter, all das, in einem facettenreichen Grün. Saftig und frisch. In Clifden angekommen, empfängt mich eine, auf Tourismus eingestellte Stadt. Der irische Abend endet in einem Pub mit Musik vom feinsten. Wehmut, getränkt mit Abenteuergrinsen und einer Portion Freiheitslust. What a night!
Tag 12 Clifden – Oughterrad (104km, 5:37h) Zur Abwechslung mal mächtiger Wind. Ich wähle dennoch den Weg entlang der Küste. Rauh und anders als in den Tagen zuvor. Der Wind bläst, was das Zeug hält. Mit ca. 10km/h halte ich dagegen – auf der Ebene wohlgemerkt. Hier ist es steiniger, schroffer, aber nicht minder einsam und vor allem sehr weitläufig. Es fällt schwer all diese Vegetationen, all die Landschaftsmerkmale, all die differierenden Facetten, die mich täglich aufs Neue beeindrucken wiederzugeben. Oft halte ich spontan an, halte den Moment mit der Kamera fest und kaum habe ich die nächste Kurve oder Kehre erreicht, wechselt das Bild abermals. Steinmauern, Steinberge, Felsen, soweit das Auge reicht. Auch die umliegenden Berge sind eindrucksvoll und brauchen den Vergleich mit alpiner Landschaft nicht scheuen. Immer wieder die Ausläufer des Atlantiks, oder ein Flusslauf, ein kleiner See, mit einer oder mehreren Inseln. So vergeht der Tag und schlussendlich lande ich nach 105km im romantisch beschaulichem Oughterrad vor den Toren von Galway.
Tag 13 Oughterrad – Galway (35km, 2:05h). Ok, ok, lazy day today. Der Himmel ist steingrau und scheint auch für heute nix weiter vorzuhaben. Auf der N59 geht es in Richtung Galway. Der Rest der Strecke ist nun schnell hinter mich gebracht, ich wähle die etwas längere Variante entlang der romantischen Küstenstraße. Am Salthill dann ist Galway erreicht und der Nachmittag dient dem bummeln in der lebhaften City und späterem Eintauchen ins Nightlife, überall Party in Galway. Jungs sprechen mich an, weil einer unbedingt wetten musste, dass ich aus Deutschland komme (wohlgemerkt zu Fuß unterwegs, kein Bike mit Flagge). Wette gewonnen, zum Bier werde ich mit eingeladen.
Tag 14 Galway – Dooline (93km, 6:15h) Sonne! Man glaubt es kaum. Hinaus aus der Stadt, dann Nebenstraße, die aufgrund der naheliegenden Attraktionen (Castle Kinvara, Cliffs) jedoch etwas frequentiert sind. Die Sonne lacht, ich auch. Die umliegenden Berge sind karg. Weiter geht es entlang der Küste, immer wieder tolle Ausblicke. Am frühen Nachmittag erreiche ich Doolin. Riverside Camping, werfe mein Gepäck ab und düse mit dem Bike zum Hafen hinunter. In einer Stunde geht der Cliff Cruiser. Der kleine Kahn fährt bis an die Cliffs of Moher und gewährt beste Blicke bei frischer Brise auf die berühmten Klippen, die 200 Meter aus dem Wasser ragen. Was für ein Nachmittag. Bestes Wetter, Meerbrise, das rauschen der Wellen, das Kreischen der Vögel, Auszeit in der Bucht, Romantik am Zeltplatz zu der sich später auch noch zwei weitere Radreisende gesellen.
Tag 15 Doolin – Listowel (94km, 5:42h) Cliffs of Moher, diesmal von oben. Ich mache das, was alle machen: Fotos. Weiter geht es hinunter nach Miltown Bay und immer wieder fantastische Ausblicke auf Buchten und Küsten. Es ist schlichtweg zu schön um es permanent zu „staten“, wenngleich die letzten Kilometer etwas unaufgeregter werden. Auch das große Kernkraftwerk nach Kilrush vermag nicht zu begeistern. Ab Killmer setzen wir 2,3km mit der Fähre über. Limerick fällt diesem Plan daher zum Opfer, dafür geht es schließlich bis Listowel. Dort schlafe ich unter einer alten Eiche tief und fest in meinem Zelt.
Tag 16 Listowel – Dingle (76km, 5:06h)Noch 25km bis Tralee, dann wartet die Halbinsel Dingle auf uns, die man sich über den O’Connor Pass erkämpfen muss. Als ich am Fuße des Passes stehe, verlangt ein überaus kräftiger Wind meine Aufmerksamkeit. Es gesellt sich dichter Nebel dazu und wenig später auch noch die Sprenkelanlage. Die Nebelsuppe gibt nicht den Hauch einer Aussicht frei, der einsetzende Sprühregen macht die Haut kalt und die Klamotten klamm.
Der Wind will am Fortkommen hindern und die Steigung unterstützt ihn dabei. Die Hochrechnung besagt, das es ca. 20 Kilometer bis Dingle sein müssen. Der Gegenwind will anscheinend nicht, das ich Dingle jemals erreiche. Am höchsten Punkt gilt: alle Regensachen an, Stirnband, Handschuhe und nichts wie weg hier. Es geht endlich abwärts. Im Wortsinn ordentlich durchgeblasen und erschöpft erreiche ich den lieblichen und so typisch irischen Ort Dingle. Der Abend endet in der legendären Flaherty’s Bar (www.odlahertysbardingle.com) und ist einer von jener wertvollen Sorte, die man nicht vergessen wird.
Tag 17 Dingle – Cahersiveen (Ring of Kerry / 97km, 5:15h)Heute gilt es den berühmten Ring of Kerry in Angriff zu nehmen. Die Straßen sind nass, aber immerhin: no rain. Es geht entlang der Küste, tolle Blicke, links in Richtung Berge, rechts in Richtung Meer.
Unser Ziel ist Cahirsiveen, das ist sportlich, aber machbar. Als ich am Abend nach etwa 100km Cahirsiveen erreiche, geht es direkt zum Campingplatz Mannixpoint an, der sich selbst als einen der schönsten Irlands bezeichnet. In der Tat. Sehr schön. Ich finde ein kitschig, romantisches Platzerl direkt am Ufer und krieche zufrieden und glücklich in den Schlafsack. Kaum niedergelegt, zerrt ein überaus kräftiger Sturm an den straff gespannten Zeltwänden. Es flattert und rattert und scheppert ordentlich. Als Dreingabe setzt irgendwann äußerst starker Regen ein. So ist meine kleine Nachtmusik, dass flattern der Zeltwände und das prasseln des Regens auf dem Zeltdach. Und soll ich Euch was verraten: es ist so richtig klasse geil.
Tag 18 Cahersiveen – Killarney (Ring of Kerry, 96km, 5:35h)Der Wegweiser führt zum Ring of Kerry. Idylle an jeder neuen Weggabelung. Zu schön all das. Es geht leicht bergan, aber alles ist bestens. Traumhafte Panoramen. Als ich den „Gipfel“ erreiche, empfängt mich eine herrliche Rundumsicht. Endlich mal Alpencross Gefühle hervorholen, denn es winkt eine Abfahrt. Von nun an geht es meist bergab. Bis hinunter zum Killarney National Park ist es aber noch eine ganze Weile. Als ich Molls Gap erreiche, wechselt das Wetter endgültig zum schlechteren. Hielt die Wolkendecke bislang halbwegs, öffnen sich nun die Schleusen. Dennoch, die Aussicht auf eine weitere Abfahrt sowie die Ausblicke steigern die Laune eher, als das es betrüblich wäre. Es geht hinunter durch eine paradiesische Landschaft. Spätestens an einem wunderbaren View-Point oberhalb vom National Park wird klar, warum der Ring of Kerry derart frequentiert ist.Ich erreiche Killarney, suche ein gemütliches B&B, werde fündig und genieße am Abend ein Guinness.
Tag 19 Kilarney – Youghale (150km, 6:47h)Heute ist ein Arbeitstag, es gilt Strecke zu machen, meine Zeit läuft langsam aus. Die Landschaft unverändert schön, der Verkehr leider etwas arg lebhaft. Den Buckel kurz vor Mulcroom kann man als liebliche Anhöhe bezeichnen, er senkt den Schnitt, nicht aber die Stimmung. Es geht flott dahin. Kilarney, Mulcroom und schließlich Cork, ratz fatz sind 90km abgespult. Das Wetter ist lau (17C), Rückenwind. Schließlich gelingen die insgesamt 150km bis nach Youghale problemlos. Sauba sog i. Und wenn man schon so fleißig ist, darf wir auch ins erstbeste Hotel am Platz: das Walter Raleigh, klingt vornehm, ist es auch, wobei innen schon etwas muffig und in die Jahre gekommen. Egal, gebucht. Im Saal des Hauses ist heute (am frühen) Abend Tanztee für alle über (gefühlt) 90. Ich schleiche unauffällig aus dem Haus. Nur noch zwei Tage bis Dublin. Sportlich, aber machbar.
Tag 20 Youghale – Gorey (187km, 8:37h)Ich mache mich frohgelaunt auf den Weg. Hatte ich nicht schon ohnehin eine irre tolle Zeit? Während ich so pedaliere gehen mir so viele Gedanken durch den Kopf. Waterford, immerhin 80 km von Youghale entfernt, ist schnell erreicht. Das Wetter ist durchwachsen, meist bewölkt, ein wenig kühler als man es gerne hätte, ab und an sagt die Sonne kurz hallo. Die Orte flutschen gerade so dahin. Um 15.30h meldet mein Tacho bereits 110km. Auch in Enniscorthy fühle ich keinerlei Erschöpfung, die 27km bis Gorey könnten zu schaffen sein, dann würde der Tacho über 180km zeigen. Im Kopf passiert so viel. Morgen – ist Finale. Unheimlich intensiv. Als ich tatsächlich den Ortseingang von Gorey passiere, grinse ich breit. Die Landschaft bis hierher war saftig grün, viel hügeliger als gestern, Wälder, Wiesen, Weiden, Bäume, Schafe, Kühe, eine Komposition in Grün. Streckenrekord mit 187 echten Tageskilometer. Stolz geschwellte Männerbrust.
Tag 21 Gorey – Dublin (97km, 5:16h)Sonne! Ich nehme die Kuhdorf-Straße bis Inch um von dort bis Arklow und weiter nach Wicklow zu fahren. Die Straße ist schon fast „niedlich“. Maximal 4 Meter breit und durch Felder, vorbei an Weiden, immer wieder gigantische Ausblicke auf den Küstenstreifen. Die Küste ist klasse, die Verkehrshektik der vergangenen zwei Tage wie weggeblasen. Keine Lust auf Pause, also treibe ich entlang der R761 weiter bis Kilcoole. Hier geht es die Rampen ordentlich hoch. Doch schließlich heißt es: Dublin, done, Demut. Stolz. All das.Auf dem Tacho stehen exakt 2.098 Kilometer. 21 Tage. „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“ würde die freundliche Dame vom Navigationsanbieter nun sagen. Mein Kopf ist noch irgendwie gar nicht so richtig gelandet, ich muss wohl noch sortieren und viel nachklingen lassen. Es war eine phantastische Zeit, tolle Momente, unvergessene Eindrücke und auch tolle Begegnungen.
Tag 22, 23, 24 Dublin – Airport – München Der Airbus A320 rollt die lange Startbahn dahin, das ich schon glaube, wir fahren nach München anstatt zu fliegen. Dann ist er nun doch da, der unvermeidliche Take Off. Schnell sind wir hinter den Wolken und der Blick auf Dublin respektive Irland ist verschleiert. 20 Uhr MEZ München hat mich wieder. Mein Bike kommt als letztes vom Band und die Taschen sind schnell wieder verstaut, Luft rein, aufsitzen, ab die Post. Es dauert auf Bayerns Straßen keine 15 Minuten, da werde ich erstmals nach 4Wochen von einem wild gestikulierenden Autofahrer angehupt. Willkommen in Deutschland.
Die letzte Etappe tags darauf vom Erdinger Moos (irgendwo im Off) nach TS (ca. 120km) mache ich nun auch noch, wenn man schon mal dabei ist ….
Fazit:
Knapp 4 Wochen Irland by Bike. Eine unheimlich aufregende, spannende und erlebnisreiche Zeit liegt hinter mir. 2098 Kilometer (+120 Bonus KM) sind abgespult, kein einziger Plattfuß, geschweige denn eine Panne. Knapp 1000 Fotos geschossen, Bekanntschaften geschlossen, Aussichten und Panoramen gespeichert und mit allen Sinnen wahrgenommen. Die Menschen unglaublich freundlich und einem wohl gesonnen, der Norden etwas ursprünglicher, der Süden erschlossener und vom Tourismus schon leicht infiziert. Die Grüntöne so zahlreich, wie die Landschaften und Vegetationen vielseitig und abwechslungsreiche. Alle Gefühle und Eindrücke niederzuschreiben würde eine mehrbändige Ausgabe zur Folge haben, daher gebt mir nur ein paar Wörter. Irland: großartig, grün, großherzig, amazing, atemberaubend, aufregend, facettenreich, fantastisch, fulminant, einzigartig, einmalig, eindrucksvoll, einsam, turbulent, toll, und so vieles mehr, kurzum: splendid!
Das Video zur Story gibts hier.
By the way: mein Equiment: bestand/besteht aus vielen guten Sachen von VauDe (Kleidung, Zelt, Matte), Ortlieb (Taschen, Beute, more) sowie natürlich mein Velotraum, Schwalbe bereift und problemlos.
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