Die etwas andere Messe …
Ein Streifzug über eine der exotischeren Messen Deutschlands
Zum 24. Mal Spezialradmesse in Germersheim
Sollten Sie sich einmal unsicher sein, an welchem Datum der ideale lauwarme sommerliche Grillabend stattfinden soll, dann empfehle ich Ihnen einfach das Datum der Spezialradmesse Germersheim zu „googlen“. Die Organisatoren haben offensichtlich einen ganz speziellen Draht zum Wettergott: hochsommerliche Temperaturen sind Ende April zum Messe- und Saisonauftakt stet garantiert (dieses Jahr 2019 also der 27. und 28.4). Doch das Thema ist weniger Grillbesteck und Holzkohlezubehör, sondern vielmehr alles rund ums Rad, solange es nichts alltägliches ist. Hier versammeln sich alle Liebhaber des Velomobils, Liegeradreisende Weltumradler, Pizzabäcker die einen stabilen Gepäckträger für den Homeservice suchen, Hochradler, Trike- und Rischkafahrer, aber auch neugierige Familien oder Versehrte, die auf Spezialräder angewiesen sind. Auch die neuen Elektroräder sind natürlich vertreten. Alles in allem ein Kessel Buntes, der in der südpfälzischen Sonne alljährlich Ende April erfolgreich vor sich hin brodelt.
Was macht diese Messe, die nunmehr zum vierundzwanzigsten (!) Male ihre Pforten öffnete, so besonders: es ist der familiär gebliebene Flair, der über drei Hallen plus Außenbereiche doch relativ überschaubare Kern der Messe, das sehr individuelle Ambiente und eben das absolut einzigartige und außergewöhnliche Angebot von Mensch und Maschine. Schon die zahlreichen Besucher der Spezi sind eine „Messe“ für sich. Weit über 10.000 werden es auch 2019 wieder sein. Viele reisen mit ihren Eigenkonstruktionen an, an jeder Ecke auf dem Gelände steht ein UFO ähnliches Gefährt, nur von Aliens weit und breit keine Spur. Hightech links und rechts drüben schon wieder ein Eigenbau, der nur noch vom Rost zusammengehalten wird, aber immerhin: er fährt. Und als Beilage, sozusagen Zugabe: die bunten Vögel, Rastalockenträger, Individualisten, aber auch Onkel Karlheinz in engem Lycra mit wohlgeformten Rundbauch, der sich seine dunkelblauen engen Kniestrümpfe zu den weißen Radschuhen nicht nehmen lässt, während er mit Ortlieb-Packtasche durch die Hallen schlendert, um sich inspirieren zu lassen.
Experten, Neugierige und Tüftler finden während der Mitmachmesse alles, was in der Branche innovativ und spannend ist; darunter das Velomobil, das einst mit 1219 km in 24 Stunden den Weltrekord hielt. In Zeiten steigender Spritpreise und Dieselgate ist die Spezi richtungsweisend: „Dass wir uns u.a. dem Elektrorad widmen, trägt dem aktuellen Trend Rechnung“, so Veranstalter Hardy Siebecke. „Die neuesten Elektro-Modelle überzeugen selbst kritische und sportliche Spezialradfans vom Zusatzantrieb. Da glänzen zum Beispiel Dreiräder, mit denen Pendler trocken und bequem zur Arbeit kommen, oder windschnittige Velomobile, ob mit oder ohne E-Motor, die zunehmend alltagstauglicher werden, wie unser ‚Alltagsvelomobil-Wettbewerb’ zeigen wird.“
Als weltgrößte Ausstellung für die Spezialradbranche und einzigartige Kombination aus Mitmachemesse und Expertenforum erfreut sich die Spezi wachsender Beliebtheit. Immer mehr Menschen finden zum Radfahren und werden sich der Vielfalt der individuellen Lösungen im Radsektor bewusst: 08/15 war gestern, beim Radeln ist Individualität Trend.
Das Herzstück der Spezialradmesse bildete der Probeparcours, der durch einen von ExtraEnergy e.V. organisierten Elektroparcours mit „normalen“ Elektrorädern ergänzt wurde. Zum Mitmachen oder Zuschauen lockte das spannende Trike-Rennen mit Rampe und Steilkurven. Ein hochkarätiges Rahmenprogramm mit spannenden Vorträgen und Reiseberichten rundete die Schau ab.
Meine ganz persönlichen Highlights: immer wieder ein Genuss für das Auge: ein Pedersen Bike. Die aus dem Norden stammende Konstruktion ist eine Komposition der Schönheit. Filigrane Rohre mit einem scheinbar schwebenden Ledersattel kombiniert, die Sitzposition ganz aufrecht und der Lenker grazil geschwungen: ein Traum von einem (Stadt)Rad. Die Manufakturen haben sich diesem Relikt aus vergangener Zeit angenommen und fertigen nicht nur auf höchstem Niveau moderne Nachbauten mit neuester Technik (Hydraulikbremsen, Rohloff-Schaltung), sondern auch ebenso schicke wie nützliche Transporträder.
Nutzen ganz anderer Art bietet der deutsche Lichtspezialist Busch und Müller, kurz b+m. Nicht nur die Weltneuheit eines Tagfahrlichtes, das sowohl die Fahrbahn ausleuchtet, als auch als Signallicht für mehr Beachtung im Verkehr sorgt, sondern auch ein eingebautes Bremslicht für „normale“ Zweiräder, das in Kombination mit einem Dynamo nach folgendem Prinzip funktioniert: wenn es vorne (Dynamo) langsamer wird, ist es hinten schneller hell (Bremslicht). Entwickelt auch für schnelle Pedelecs und E-Bikes gibt es bei b+m außerdem einen neuen, leistungsfähigen Scheinwerfer zu sehen, der 6 bis 42 Volt verträgt. Ebenfalls sehr nützlich und dem Trend nach immer mehr (Elektro)Mobilität folgend: das kleine eWerk von Busch und Müller. Ein kleines 53gramm leichtes Gerät, dass – gekoppelt mit dem Dynamo oder dem E-Bike Akku – alle elektronischen Geräte vorsorgt bzw. durch Muskelkraft auflädt. Dabei ist sowohl die Spannung (2,8 bis 13,3V) als auch die Stromstärke (0,1 bis 1,5A) stufenlos regelbar. Sehr praktisch, wenn man an all die GPS Geräte, Handys, iPhones und iPods oder auch den Akku der Kamera denkt (www.bumm.de).
Auch der schwäbische Hersteller Velotraum war in der Vergangenheit auf der Messe vertreten. Ohne Sensation im Gepäck, dennoch aber mit einer geballten Ladung Kompetenz und Know How stellt sich Stefan Stiener den Fragen des Publikums. Velotraum fertigt individualisierte Traumfahrräder für jeden Anwendungsbereich: vom robusten, überlandtauglichen Tourenrad bis hin zum leichten Sportgerät. Ausstattung und Farbwahl sind dabei immer ganz an den Bedürfnissen des Kunden angepasst. Motto: was Qualität ist, bestimmt letztlich der Kunde. So kann man nicht nur unter allen verfügbaren RAL Farbtönen seine ganz persönliche Traum-Farb-Kombi (sowohl Rahmenfarbe als auch Schriftzugfarbe), sondern natürlich auch aus dem Baukasten System das mehrfach Gang-Menü in Abstimmung mit den Experten gestalten. Fachsimpeln ist dabei ausdrücklich erwünscht. Und sei es nur eine ausgiebige Diskussion um die Steifigkeit der Schutzblechhalter und Möglichkeiten selbige zu verbessern. Stefan Stiener selbst Intensivradler, kennt nicht nur jede Schraube seiner Bikes, sondern auch die unterschiedlichsten Anforderungen all seiner Bauteile. (www.velotraum.de)
Sehr schön, sehr anders auch die Bikes der italienischen Hersteller. Hier gibt es einige, die sich auf Transport- und Retro-Räder spezialisiert haben. Optisch und farblich perfekt abgestimmt, mit wunderschönen edlen Accessoires, wie beispielsweise Ledertaschen vorne und hinten, sind die meist auf 26 Zoll Rädern laufenden Velos eine Quell der Freude.
Für mobile Puristen und Neulinge im Bereich der Liegeräder: Das Gekko von HP Velotechnik kommt jetzt als Einsteigermodell in einer einfachen, ohne Faltmechanismus zerlegbaren Version. So kann man dieses kostengünstige Liegedreirad im Kofferraum verstauen. Selbstverständlich ist es je nach Geldbeutel und Komfortbedarf aufrüstbar – auch mit Elektroantrieb. (www.hpvelotechnik.com)
Ein weiterer Liegeradspezialist ist Hase. Die haben sich was Neues einfallen lassen: Mobiler mit dem E-Dreirad: abgasfreier Spaß auf Alltagsstrecken mit dem Alltagspendler Klimax 5K – ein 500 Watt starkes Hybridfahrzeug mit faltbarem Verdeck, welches wirklich jedem Wetter trotzt. Dranhängen oder schieben: Trets heißt der multifunktionale Fahrradhänger für Kinder, den man auch als Kinderwagen oder Jogger benutzen kann, der aber auch pedalbetrieben alleine läuft. Hase hat ihn mit einem Wetterschutz, vielen Sicherheitsmerkmalen ausgestattet. (www.hasebikes.com)
Eine Klasse für sich sind die Tandems des Wolfgang Haas aus Rosenheim. Egal ob in der Faltversion, alles in edlem Koffer verstaut, oder als Standardaufbau. Höchste Perfektion in Ausstattung und Verarbeitung ist geboten. Die auf der Spezi vom Chef des Hauses angebotenen Schnupperfahrten wurde gerne angenommen.
Santanas Zielsetzung seit 1976 ist es, Tandemfahrer/innen weltweit mit leichten und stabilen Tandems zu versorgen. Santana widmet sich ausschließlich der Produktion von hochwertigen Zweisitzern. Die verwendeten Rahmenmaterialien und Komponenten sind entwickelt von Tandementhusiasten für Tandementhusiasten und alle, die es werden wollen.
Etwas später entdeckte auch in Deutschland Wolfgang Haas die Liebe zum Tandem. Vor über 20 Jahren machte er seine ersten ausgedehnten Tandemtouren durch Europa und später USA. In einer amerikanischen Fahrradzeitschrift las er zum ersten Mal über Santana und schon bald war er stolzer Besitzer eines der ersten nach Europa importierten Exemplare. Seit 1988 ist der Rosenheimer Wolfgang Haas Santana’s Exclusivvertreter für Deutschland und Europa. Seine private Tandemsammlung ergänzt heute ein CabrioQuad (Quad und Triplet als Familiengefährt). (www.santana-tandem.com/de)
Es bleibt ein Streifzug, es kann nicht mehr sein, als die ganz persönliche Auswahl meiner Eindrücke einer besonderen Messe, wie man es aber auch dreht und wendet: über 100 Aussteller aus mehr als 12 Ländern bieten sowohl dem Fachbesucher als auch neugierigen Fahrradfreunden eine Vielzahl an Unterhaltung und Information. Das wiederholt ausgetragene Trike-Race wird ebenso für Spannung und Action sorgen, wie die Show eine oder andere Show rund ums Gelände oder aber auch die diesjährige Erfindermesse.
Und falls all das nicht so wirklich interessant oder notwendig für Sie sein sollte, dann mag es vielleicht der letzte Geheimtipp sein: notieren Sie sich ruhig einmal folgendes Datum: 27. und 28. April 2019: da ist garantiert bestes Grillwetter.
(c) ein echt SPEZIeller Udokah
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