Home – Prag / Freiheit. Kleine Tour in 5,5 Akten
Prolog
Eigentlich sollte es mein 20igster Alpencross werden. Eigentlich. Mein Begleiter, der Schlumpf, sagt 2 Wochen vor Start ab. Tja. Über die Alpen bin ich ja schon einmal, und wenn´s nicht sein soll, …. Also reift im Kopf ein anderer Gedanke. Freiheit. Der Plan ist es keinen Plan zu haben. Der Kopf schlägt Purzelbaum. So sinniere ich einerseits über einen Reiserad AlpX über alle möglichen Pässe mit Sack und Pack. Und verwerfe diesen Übermut dann zugunsten eines Gedanken: Prag ! Warum nicht? Prag. Me & my bike. Zelt und ich. 500km 5000hm. Geht. 3, 2, 1… los. Haustür ~ Prag. Ich komme. Zudem hab ich ein neues Bike, welches geritten werden will – das Guylaine hat sich bestens bewährt.
Tag 1. 27.07.18 / Traunstein — Überackern / 71km, 671hm.
Prolog. Eigentlich zählen die Tage an denen man um 16h startet ja gar nicht, oder? Egal. Ab Siegsdorf über die Dörfer raus aus Heimatland. St. Leonhard, Waging, Kirchanschöring. Fridolfing,, Tittmoning rüber nach Österreich und dann über die Schleichwege nach Burghausen. Dort, es dämmert, ein schönes Bier am alten Stadtplatz und dann die Rampe hinauf zum Salzachblick. Ich finde nach kurzer Fahrt an einem Waldstück einen schönen Ort zum Zelten. Die perfekte Location. Bäume, Wiese, Bank, Tisch und sonst nix. Ok Wasser fehlt, aber das hab ich ja noch aufgefüllt. Kocher raus. Trocken Hähnchen Thai Curry in der Survival Version. Herrliche Nacht mit Vollmond in Glutrot. Fuchs und Igel irgendwo da draußen. Keine Ahnung. Mir gefällt es.
Tag 2. 28.07.18 / Überackern — Obernzell / 110km, 357hm
Das übliche Ritual. Die zuvor ausgeräumten Taschen und Beutel müssen wieder komprimiert werden. Leider fehlt mir mangels Espresso Maschine ein ordentlicher Cappuccino. Das muss sich noch ändern. Kurzer Stopp am Pockinger See, an dem ich eigentlich nächtigen wollte. Eigentlich. Wenn ich nicht so schnell wäre. Um 1330h lehne ich mein Rad an den Baum. Das Wasser glitzert – also rein, soviel Zeit muss sein. Der See hat Badewannen Temperatur. Doch es zieht mich weiter.
Hartkirchen. Neuhaus. Schärding.- dort noch ein Radler und ein kurzes Gespräch mit dem junges Paar aus Böhmen. Die zwei sind auf dem Weg nach Grado mit Rädern, mit denen ich nicht mal zum Bäcker fahren würde. Na Bravo, viel Erfolg euch beiden. Am Ufer der Donau finde ich schließlich einen schönen Platz und werde später feststellen, neben einem „Sägewerk“ zu schlafen. Ein radelnder Rentner auf dem Weg nach Wien ist in dieser Nacht mein gut hörbarer Nachbar.
Tag 3. 29.07.18 / Obernzell —Linz / 80km, 120hm
Abfahrt 9uhr 30. Nach immerhin zwei Kilometer kommt, was kommen muss. Pause. Frühstück. Im Dorfcafe von Obernzell habe ich eine leckere Butterbreze, einen sehr guten Cappuccino sowie einen köstlichen Nougattaler. Was willst du mehr nach 2km powerkurbeln. Leichte Bewölkung sorgt für weniger Dampf-Klima als gestern. Und die Strecke, null Verkehr, fließt geradezu so dahin. Ich überhole die ganzen, aber wirklich alle, gefühlt sind es ungefähr 900 (real etwas weniger), Donau Tourismus Rad Urlauber. So mühen sie sich dahin die Hobbyradler. Bis zur Fähre, die mich für 2 Euro kurz ans andere Ufer bringt, da auf dieser Seite Naturschutzgebiet ist. Geschmeidig mit 25, 29 manchmal auch 32km/h an der sanft fließenden Donau entlang. Flow. Bevor ich mich versehe, bin ich schon in Linz. Der Hauptplatz ist eine Wucht. Durst. Ein Radler.
Nach etwas Sightseeing (Linz ist wirklich schön) und einer guten Pizza steuere ich den außerhalb Linz liegenden Plechinger See an. Traumhaft. Meine Idee, das Zelt aufzuschlagen erweist sich a) als dov und b) als unnötig. Dov weil es rundum verboten ist und unnötig weil man in dieser Nacht wunderbar ohne Zelt am See schlafen kann. Lauwarme Nächte zur Zeit.
Tag 4. 30.07.18 / Linz — Czesky Krumlov / 94km, 1387hm
Ein paar Rentner drehen frühmorgens die ersten Runden. Und wenn ich schon mal da bin, muss ich auch reinspringen. Uff ist der warm. Abfrischung geht anders.
Nun kommt der ungemütliche Teil der Tour. Es geht in die Berge und vom Komfort der Donau Beschilderung kann ich mich verabschieden. Innertreffling, Reichenau und manch anderer obskurer Ort muss nun gesucht werden. Es geht hoch. Und dann, man glaubt es kaum, eine schwarze Wand. Dunkelgrau. Dass ich es nie schaffe, ohne Regen durchzukommen? Es kachelt, aber zum Glück nur kurz. Ich fahr meines Weges (der mir ja mangels Plan nicht so ganz klar ist). Und schwupp, bevor ich mich versehe, habe ich auf einmal eine Verfolgerin. Schwarzes Top, kurze schwarze Radlhose, schlank. Kommt näher. Immer näher. E–bikerin. Geschätzte 65—70jahre alt, leidet an Parkinson und ist die nächsten 60min mein Gast bzw. ich ihr Zugpferd. Sie ist so happy, noch nie sei sie so schnell hier hinauf und früher auch immer 8000km im Jahr geradelt, aber nun gehe es nicht mehr so gut. Ich ziehe sie hoch, fahre eigentlich schneller als es gut ist. Sie fragt viele Fragen, bleibt aber unaufdringlich. Nett. Der Anstieg ist etwas mühsam, aber ich komme voran. Mein Weg führt weiter in die Höhe, eine Wegweisung gibt es nicht wirklich, eine Tafel mit dem Hinweis „Landesgrenze“ suche ich vergeblich, so fahre ich gefühlt etwas planlos (war ja der Plan, haha) durch die Wallachhei. Treffe ein paar Straßenarbeiter, doch die haben nicht den Hauch einer Ahnung wo es nach CZ geht. Hallo? Wenn nicht die, wer dann? Sie raten mir bis Leonfelden zu fahren. Gesagt getan.
Schnell, naja einigermaßen schnell erreiche ich dann doch fremdes Land und bin in der CZ. Der Weg führt nach Vyssni Brod und von dort über einen weiteren Buckel nach Rozemberk. Dort angekommen, ist es noch zu viel Kraft vorhanden, also weiter. Es ist ohnehin erst 16h, da kann man noch lange fahren. Die Route an der Moldau ist traumhaft schön. Die Wolken haben sich schon längst wieder verzogen. Und so ist klar: ich fahre bis Krumau. Am Camp Platz finde ich einen lauschigen Platz am Wasser und bleibe. Noch ein Abstecher in die Altstadt, 2Bier und schlafen wie zufriedene Krieger eben schlafen. Friedvoll.
Tag 5. 31.07.18 / Czesky Krumlov – Pampa / 114km, 1331hm
Es läuft. Der Campingplatz ist chillig. Jede Menge Kanuten unterwegs. Das Ehepaar aus D nebenan will mit ihrem Kanu bis nach Prag. Cool. Packe meine sieben Sachen und gehe auf die Spur. Einer imaginären, zuvor auf dem Rechner halbwegs vernünftig klingend gestalteten Route zu folgen, diese jedoch at any Time variieren zu können. Rechts? Ok. Links? Och, wenn’s der Strecke dient. In diesem Teil der CZ ist die Beschilderung halbwegs komfortabel, immerhin stehen auf gelben Schildern Zahlen. Ich hab zwar keine Ahnung wohin „7“ führt und wohin „1022“ oder welcher Weg nach Prag weist, aber ein Gefühl hab ich, damit klappte es bisher ganz gut.
So fahre ich durch Krumau, dann über Land und verändere die Streckenführung später dann doch leicht, weil ich sonst am Ende des Tages noch 134km bis Prag hätte. Aber lieber heute mehr und morgen weniger KM. So weiche ich einfach vom „nicht Plan“ ab und fahre der Nase nach aber in grober Richtung Prag. Läuft.
Stimmung bestens. Die Sonne brennt ihr bestes Brennen. Die Perspektiven on the road sind bombastisch. Kein Verkehr, guter Asphalt. Happiness soweit das Auge reicht. Aber irgendwie ist Prag noch zu weit weg (120) und ich hab noch „Luft“ im Schenkel und eh „erst“ 90km in den Knochen. Da geht noch was. Ich checke Navi und Beine. Po sagt „hör auf“. Egal, morgen dann.
Es wird zunehmend mühsamer, die Uhr rückt voran, es ist bald 20h, als ich in Radic stehe und die einzige Kneipe des Ortes betrete. Die Kerle drinnen schauen mich an, als ob ich direkt vom Mond komme. Der Junge an der Bar versucht mir in schaurigem Englisch den Weg zu einem Kemp zu weisen. Es gelingt ihm mehr schlecht als recht. So fahre ich weitere 5—6 km und entscheide mich pro Wildnis. Am Rand liegt eine Lichtung, geschützt von ein paar Bäumen und einigen stachelige Wildhecken. Sogar eine kleine Holzbank finde ich unweit und schleppe diese zu meinem Platz. So geht Luxus. Zelt aufbauen, Matte aufblasen, Schlafsack ausrollen, Küche auspacken, Wasser und Outdoor Nahrung erhitzen, Bier entkorken (aus der Kneipe von vorhin, mitgedacht). Alles stabil.
Das Dinner ist wunderbar, das Bier schmeckt herrlich. Gehe zeitig zu Bett, morgen stehen knapp 100km auf dem Plan und ich hab die Wegführung noch nicht ganz heraus. Schlafe schlecht ein, weil im Zelt ist es viel zu schwül, draußen aber viel zu viele Viecher.
Tag 6 – final day. 01.08.18 / Radic (außerhalb) – Prag / 86km / 970hm
Die Nacht war unruhig. Die Viecher draußen seltsam und mein Hintern tat sogar im Liegen weh. Wache entsprechend früh (730h) auf und das allmorgendliche Ritual beginnt. Zack Zack. Zähne putzen. Foto machen. Check. Wie ist der Plan? Der Plan ist keinen Plan zu haben. Gut so. Mal sehen, wie der Weg verläuft. Bin gestern gehörig abgewichen und stehe nun tatsächlich in the middle of nowhere. Prag ich komme. Doch wo lang? Spannende Frage. Ich glaube, die 102.
Die Sonne knallt, aber die Straßen sind frei, nein sie sind leer. Weizengelb wird flankiert von grasgrün und ist überlagert von himmelblau. Nur das graue Asphaltband ist eine latent unnatürliche Farbe in diesem Arrangement. Kilometer für Kilometer nähere ich mich der goldenen Stadt. Eine erste Tafel verrät: noch 52km to Go. Wir haben gerade mal 12Uhr. High noon. Das mach ich auf einer Backe. 15km vor Prag leitet der Radweg „A2“ das große Finale ein. Zeit den Helm abzulegen. Stirnband an. Rollin.
Es ist 15 Uhr, die goldene Stadt ist erobert. Gefühlt 100.000 Touristen, davon 89000 Asiaten. Unglaublich. Jeder schießt ca. 100 Selfies von sich und bemerkt die historische Szenerie um sich rum gar nicht. Ich brauch ein Bier. Das Thermometer zeigt ungefähr 38C. Uff. Ich trinke zwei Bier :).
Der Rest ist schnell erzählt. Eine App vermittelt mir ein Hotel (das 987, sinnvollerweise 200m vom Bahnhof entfernt). Dann noch kurz in die Altstadt eintauchen, einen Salat, eine Pizza, ein Radler. Inhalieren. Ein Traum.
Doch für den Trubel bin ich noch nicht 100% bereit. Hotel um 23h, dann den Wecker stellen, und selig einschlafen. Mission completed.
Epilog. / 02.08.2018 / Prag — (Grassau) – Home / 40km
200m zum Bahnhof. Das ist Orga. Ergattere einen Wagen mit Rad Abteil. Natürlich, Bahnreisen macht Freude, ergattert auch eine Horde tschechischer Eingeborener den exakt gleichen Wagen. Jeder eine Flasche Bier oder härteres Geschütz in der Hand. Es dauert nur maximal 30sekunden nach Abfahrt, da gröllen die Herren (?) die wildesten Schlachtgesänge durch die Gänge. Wo bin ich dahin geraten? Alkohol macht’s möglich. So in wilder Haufen. Unglaublich. 17 Uhr Traunstein Bahnhof … ich bin noch im Outdoor Modus, mag irgendwie noch nicht in ein „normales“ Bett und verbringe so eine weitere Nacht im Schlafsack am Reiflinger See hier im Chiemgau. So geht Kurzurlaub.
Ach ja: one more thing: wer mag … mein kleines Video von der Tour ist hier
Wow!!!