Prolog

Es gibt Dinge im  Leben eines Mannes, die muss er einfach mal gemacht haben. Man kennt das ja: einen Baum pflanzen, ein Haus bauen, ein Kind zeugen, all diese Dinge. Vor einigen Jahren wurde dieser Katalog um ein weiteres Merkmal erweitert: „einen Alpencross bestreiten“.

Und wahrhaft: das muss man einmal gemacht haben – oder besser noch: mehrmals.

Unser „4-Freunde-müsst-ihr-sein-Tour 2002“ lässt sich ebenfalls auf der Centurion Homepage nachlesen, die diesjährige „Männlein-Weiblein-Tour“ war nicht minder erlebnisreich und wurde mal aus einer ganz anderen Perspektive erlebt. Keine derben Kerlewitze, keine ständigen ultimativen Herausforderungen, kein Trinkgelage, sondern schlicht und einfach mit einem weiblichen Freund off the road und ich kann Euch sagen: das geht. Gut sogar.

Lest selbst.

1. Tag – Samstag, 24.07.

(46 km, 4h:51min, 1836 Höhenmeter)

Schwaz – Weerberg – Innerst – Innerberg – Weidener Hütte – Geiseljoch – Geiselalm – Vorderlanersbach – Hotel Dorfplatz

Der Himmel ist verhangen. Grimmig. Warm ist etwas anderes, aber wir fahren. Gore und die restliche Ausrüstung ist schließlich so gut sortiert, dass wir weder erfrieren noch durchweichen können. Der Parkplatz in Schwaz ist schnell gefunden und der Alpencross 2004 ist eröffnet. Trockene Straße in Schwaz und schon ist die anfangs etwas flaue Stimmung auf dem Weg nach oben. Wir auch. Weerberg lautet das Credo und ist zugleich die erste Bergwertung. Das Band schlängelt sich wie ein Wurm, der Blick zurück lässt uns nun zur Gewissheit werden: der Alpencross hat begonnen. Wir haben es tatsächlich gemacht, Carolin. Was vor gut einem Jahr mit einer zufälligen Bergbekanntschaft begann, hat sich nun zu einem Alp-X-Team formiert. In Innerberg geht die Strasse unvermittelt in einen schmalen Bergpfad über und es kommt, was Mountainbiken einfach so schön macht. Passabler Anstieg, tolle Landschaft, ein uriger Bachlauf und nach einem weiterem anspruchsvollen Stück schließlich die Weidener Hütte, die wir nunmehr im Nieselregen und leicht frierend erreichen. Mahlzeit. „Strom, hamma kannen, wos derf ich Eich bringa?“ Egal, die Suppe vom Feuer wärmt innerlich, der Tee ebenso. Alles wunderbar.

on the Way to Geiseljoch

Weiter geht’s. Die ersten Glückshormone kündigen sich an. Vis á vis ein nebelschwadiger Steilhand, ein Sturzbach, weiter unten ein kleiner Bergsee und viele kleine urige Almen, deren Dächer mit Steinen sich gegen Wind und Wetter wehren. Es regnet. Egal. Schließlich machen wir einen Alpencross. Der Weg wird unwegsamer und der Untergrund etwas schlüpfriger. Ärmlinge, Beinlinge, Regenjacke (PacLite – man gönnt sich ja sonst nix) und bald werden auch die Neopren Überschuhe rausgeholt.

Der Pfad zum Geiseljoch ist ein Traum. Warum bin ich hier nicht schon öfter gefahren. Schraub, schraub. Es dauert, aber irgendwann Spätnachmittag stehen wir am Gipfel. Ich bin glücklich. Carolin friert und ist vielleicht auch glücklich.  Jetzt aber wirklich alles an den Mann/die Frau, was in unserem Deuter TransAlp bevorratet ist. Tatsächlich. Bis auf meinen 125 g Seidenschlafanzug und die Ersatzhose und das Ersatztrikot trage ich wirklich alles an mir. Es „schifft“ (bairisch: regnet) und ist saukalt (pardon), der Wind pfeift.  Nix für Kannapee-verwöhnte –  aber so sche.

Geiseljoch

Nun nur noch abwärts und ein kuschelwarmes Hotel finden. Die Abfahrt ist ja eigentlich das Sahnehäubchen auf dem Uphill Cappuccino. Und was machen wir, irgendwo in dem letzten Futzerl Schneefeld verpassen wir einen Abzweig und sind nach ca. 20 Min. Schieben inmitten eines Wiesenhanges ohne auch nur die geringste Fahroption. 450 Höhenmeter talwärts schieben. Stümper, wir. Doch in Höhe der Geiselalm nehmen wir die Fährte wieder auf und rauschen, soweit das bei regennasser glitschiger Fahrbahn möglich ist, talwärts.

Vorderlanersbach – es gibt ein paar nette Hotels und ein paar weniger nette. Das netteste ist unseres: Hotel Dorfplatzl (Tel. 05287/87 220), Pizzeria, Sauna, Heizungskeller (superwarm) inklusive. Der Heizungskeller ist für zwei durchnässte und mittlerweile auch klammfrierende Biker die Rettung. 90% der Ausrüstung ist pitschepatsche und am anderen Morgen knochentrocken. Sauna, Pizza, die morgige Tagesplanung, Heia. Alp-X, der erste.

2. Tag – Sonntag, 25.07.

(44 km, 4h:42min, 1678 Höhenmeter)

Vorderlanersbach – Tux – Bichlalm – Sommerbergalm – Hintertuxer Joch – Kasern – Schmirn – Jodak – Gries am Brenner – Vinaders – Sattelbergalm

Es reißt auf. Trocken. Der Skiort Tux schläft und die Wolken scheinen keine weiteren Ambitionen zu haben. Die Berge links und rechts der Straße in Richtung Hintertux türmen sich imposant auf als wollten sie sagen „da schaut her“. Ok, ok, „ihr seid wirklich sehr eindrucksvoll“ denke ich imaginär zurück und fahre rechts rein, als das Schild „Bichlalm“ frohlockt. Sonntag, und schon mittendrin und es nur wenige Dinge im Leben, von denen man so schön und lang zehren kann. Alp-X-04, geil.

Das Etappenziel heißt zunächst Tuxer Joch und auch wenn der Weg dort hinauf durchaus kernig ist: die umliegenden Berge, Gipfel und Schluchten sind jeden einzelnen Schweißtropfen und Stechen im Schenkel wert. Komm nur, ich krieg dich auch noch. Wir queren einen Wildbach und hören den Wasserfall in weiter Ferne tosen. „Schau: Skifahrer auf der gegenüberliegenden Seite am Gletscher“.

on the Way to Tuxer

Pünktlich zur Mittagszeit sind wir oben am Tuxer Joch Haus. 2321 m, hat man ja auch nicht alle Tage. Die Sonne denkt sich, daß wir das verdient haben, knipst ihr starkes Licht an und wärmt uns. Brotzeit, ein wenig dösen und schon nehmen wir den Kampf gestärkt wieder auf.

Der nun folgende Trail ist wohl etwas anspruchsvoll, verwurzelt, steinig und bockig – aber so was von affenstark. Ja! „Fahrbar“ ist natürlich so eine Sache. Aber „Versuchbar“ ist er in jedem Fall – und mit ein bißchen Mut (wie sagen die von Polar? „Alles ist messbar, außer Mut“) geht das schon. Ja, ja, ja. Geht schon. Macht das Spass, Carolin, kopfschüttelnd hinter mir, denkt sich ihren Teil (der spinnt) und geht kein Risiko ein.

Ulrich Stanciu beschreibt dies als reine Schiebepassage und die kommt schließlich auch. Eine knappe halbe Stunde geht es Stufen bergab und wir münden in einem wunderschönen Tal oberhalb von Kasern. Durch saftigstes Grün, am Bachlauf entlang gleiten wir die restlichen Meter talwärts. Es geht uns gut. Was wollt ihr mehr. 

Richtung Kasern, über Schmirn geht es nach Jodock und ich lass es krachen – Caroline ist so eher die Besonnene, doesn´t matter. Selbst die eine oder andere Warteminute nutze ich zum Inhalieren und flute meine Sinne. Gries am Brenner ist der tiefste Punkt des heutigen Tages und zugleich Ausgangspunkt über Vinaders für den letzten Anstieg zur wunderschönen Sattelbergalm. Nicht wirklich schwer, aber doch unnachgiebig zieht sich der Forstweg hinauf auf den Sattelberg.

Sattelbergalm

Doch die Mühe der letzten 450 Höhenmeter lohnt. Die Sattelbergalm (Tel. 05274/87 717) wird von super netten Menschen bewirtschaftet. Sie liegt traumhaft, ist urig und doch sauber renoviert, bietet opulente (!) Mahlzeiten, die mindestens Alpencrosserniveau haben (die Nachspeise hab ich verweigert) – außerdem „sans einfach guad drauf, de Wirtsgschwister“.  Ein echter Tipp – nicht nur für Alpencrosser, die in Richtung Grenzkammstrasse unterwegs sind.

3. Tag – Montag, 26.07.

(93 km, 6h:23min, 2013 Höhenmeter)

Sattelbergalm – Sattelberg – Kreujoch – Sandjoch – St.Lorenzen – Gossensass – Sterzing – Jaufenpass – St.Leonardo – Riffian

Der Wirt hat uns gewarnt. „Der Bauer dort drobn ist keinem Biker wohlgesonnen. Biken strikt verboten. Nehmt lieber den Hohlweg, den ich selbst mit dem Bagger letzten Sommer ausgehoben habe“ waren die wohlmeinden Worte des Wirtes Louis.

Ach was, sagt Udo-unbekümmert. Geht scho, irgendwie. Und so fahren wir bergan, über Forstweg, Weidefläche und passieren schließlich das eindeutige Verbotsschild auf des bösen Bauern Grund. Nach einer Weile dann tatsächlich der Hof von Mr. Z´ wieder und der Zufall will es: eine 3er Gruppe steht munter schwaffelnd vor dem Anwesen und unsere Fahrroute führt direkt oberhalb des Hofes vorbei. Schnell in Deckung, wir kauern am Boden und lugen über die Grasnarbe, wartend darauf, dass das Palaver bald aufhören möge. Und tatsächlich, alle 3 gehen ins Haus und scheinen nichts bemerkt zu haben. Schnell vorwärts. Im Rücken des Hofes, schieben wir die Bikes vorwärts (zu steil zum fahren) und sind schon fast ganz vorbei, da kommt Bauer Bös aus dem Haus, entdeckt uns natürlich und kommandiert „z´ruck, sofort z´ruck“ – Carolin wird blass, läuft aber alles andere als zurück sondern tritt unbeirrt die Flucht nach vorne an. Mich hat er nicht gesehen, aber was soll ich machen, den Sommer hier verbringen?, also hinterher. Der Bauer – nun den zweiten Übeltäter entdeckend – schreit noch lauter, noch wütender „Z´RÜCK, SOFORT Z´RÜCK“. Das Herz klopft, der Berg ist schließlich dreckssteil und irgendwann kommen Baum und Busch und verdecken die Sicht auf den Hof. Kommt er uns hinterher – womöglich mit dem Gewehr (reimt sich, gell) ? Carolin, immer noch blass, relativ wenig ansprechbar, schiebt und schiebt, will weg hier. Gut, dass sie nicht meine Frau ist, die hätte mir was erzählt. Mit einem Ohr nach hinten (hat er eine Enduro?) und den Augen nach vorne (wann kommt die Grundstücksgrenze endlich?) geht es noch ca. 30 Minuten steil bergan. Das erlösende Schild steht unmittelbar vor einer zerschossenen Militäranlage und die Anspannung läßt nach.

Brennergrenzkamm

Die, ca. 30 Minuten vor uns gestarteten, Alpencrosser kommen etwa 30 Minuten nach uns und wir empfangen sie grinsend mit den Worten „na, war der Hohlweg vom Wirt wohl ein Umweg“. Doch mitnichten. Auch sie konnten der Versuchung nicht widerstehen und nahmen den Weg über des Grantlhuber-Bauerns Grundstück und hatten das Pech den netten Mann mit der Motorsäge auf des Weges Mitte zu begegnen. Die sofort darauf folgende Flucht durchs Gehölz kostete nicht nur Zeit sondern auch einiges Herzklopfen. Tja. So ist das auf einem Alpencross.

Die nun vor uns liegende Grenzkammstrasse ist ein schlichtweg wunderschön. Schlängel, schlängel. Wir sind ganz oben und das vor uns liegende Band dieser Militärroute als auch das unter uns liegende Brennertal sowie die frische sonnengewärmte Luft … ein weiteres Highlight. Wir grinsen breit.

Lieber Leser, mach Dir mal so Deine Gedanken. Schließ die Augen. 2000 m über Meeresspiegel, eine endlose Militärschotterpiste vor Dir. Stell Dir vor, wie ein zahnloser italienischer Bauer in einer 10m² Hütte Dir seinen Brunnen anbietet und es dann einfach weiter geht.  Solang bis ein Abfahrtsbandwurm erkennbar wird und es nur noch heißt „lass krachen“ – Gedanken sind frei. Abwärts nach Gossensaß und alles ist wunderbar. Sterzing folgt und die Mittagspause haben wir uns verdient.

Jetzt nur noch einen Anstieg. Oh oh. Der Plan sagt uns Teer only, aber dafür 1200 Höhenmeter am Stück. Nun gut. Da muss Mann/Frau durch. Hilft nixe. Wir fahren, wir schleichen, pedalieren, quäl, quäl, bergwärts, Kehre eins, Kehre zwei, was-weiß-ich-wieviele, und es dauert eine ganze lange Weile bis ich oben bin. Einkehr, warten auf Carolin – wird sie mich verfluchen? Nicht einmal, kurz drauf kommt sie an und läßt mich leben. Wir schrauben die letzten Meter zur Paßmitte gemeinsam und ziehen uns warm an. Denn nun kommt etwas, worauf sich mein NoPogo schon so lange gefreut hat. 20 Kilometer Abfahrt, Teerpaßstrasse-talwärts-stürzen heißt die Lieblingsdiziplin und sowohl die Avid V-Brakes als auch die Crossmax XL scheinen innerlich zu grinsen. Jaaaaaaaa, so muss sich der Marc Giradelli gefühlt haben, als er seinerzeit aus den Starterhäuschen des Weltcup-Zirkus gestartet ist. 3-2-1 meins. Die Autos haben keine Chance und meine Voll-Vermummung gibt mir ein Rundum-Sorglos-Gefühl, lass krrrachen. Sowas von geil (pardon zwei) – Jajajjajajajpapapaduuu. Als ich irgendwann am Fuße des Jaufenpasses in St. Leonardo „aufschlage“ strömen die Glückshormone völlig unkoordiniert aus. Ich grinse wie blöd, mache einen Riesenschrei und hüpfe um mein Pogo. Die Passanten (uups, da waren welche) guggen mich nur doofe an. Die Vermummung mit dem Buff, die Oakley Spiegelbrille, die Handschuhe im Juli und die NeoprenÜberschuhe und der spacige Giro Helm bestärken deren Eindruck, aber was solls, kennt mich ja keiner. So funky, aber echt.

Irgendwann – Stunden später J (sorry Caro) – kommt auch Carolin an. Wir schaffen es tatsächlich die restlichen Kilometer bis Riffian noch vor Beginn der Regenzeit abzuleisten. Ich könnte noch stundenlang fahren (dachte ich), Carolin jedoch spürt langsam so etwas wie Erschöpfung und nun soll es auch wirklich gut sein. Der Oberwirtshof (Tel. 0473/2410 11) ist nicht nur urgemütlich und hat einen Swimmingpool sondern auch prächtige Mahlzeiten und ein schönes Ambiente. Gemütlicher Ausklang mit Wein und Pasta. Die Schenkel summen, der PoPo sagt „hier bin ich“, aber keine kritischen Momente. Ist doch prima.

4. Tag – Dienstag, 27.07.

(63 km, 6h:10min, 2130 Höhenmeter) 

Riffian – Kuens – Veltau – Dorf i. Tirol – Naturns – Naturnser Alm – Lana – St.Pankranz

Ist dies die Königsetappe, oder hatten wir die gestern? So ganz klar ist das nicht, aber Carolin hat sich entschieden. Heute fährt sie untenrum (obwohl untenrum immer noch mit 1300 Höhenmeter verbunden ist) und läßt es gemütlich angehen. Wir nehmen den Weg bis Naturns gemeinsam und durchqueren die Tiroler Weinberge und Wälder. Natur pur. Grün, grün, Äpfel, Weintrauben, Pfirsiche, Feigen, Wildbäche, Wurzelpfade, in dieser Umgebung muss der Waldgeist sich wohlfühlen. Wahnsinn, diese Eindrücke und trotz mühsamer Tour durch Unterholz macht es Spaß, Schieben, fahren, schieben. „Draussen“ scheint die Sonne, während wir im finsteren Wald unseren Weg uns bahnen. Ein Höhenweg in Handtuchbreite und schwups sind wir in Dorf i. Tirol. Ein Schloss hier, Panorama dort, meine Güte, das paßt doch gar nicht alles in den Speicher. In meinem Notizblock steht wörtlich „selten so eine schöne Tour gemacht“.

Naturnser Alm Weg

Unsere Wege trennen sich. Vor mir liegen weitere 1400 Höhenmeter, 700 haben wir bislang in den Knochen. Carolin nimmt die Route über Meran und hat den Auftrag Hotel und Zimmer zu suchen. Ich will es wissen. Plan ist schließlich Plan. An der Etsch entlang und noch einmal durchschnaufen. Dann geht’s zur Naturnser Alm. Die Sonne hat sich entschieden mich zu ärgern und somit sticht sie nur doof runter.

Qualvoll, das Ganze, stet bergan, nie so richtig spektakulär und irgendwie ganz schön zäh durch Wald und am Hang entlang. Dazu die Sonne, penetrant, aber so richtig spannend ist das hier nicht. Nach knapp 3 Stunden NonStop Auffahrt und kurz vor 17.00 Uhr ist es geschafft. Bitte ein Weißbier und ein Snickers. Carolin simst kurz durch. Hotel und Zimmer – confirmed.

Südtirol

Die Abfahrt bzw. Streckenführung ist zunächst irgendwie unklar und nach ca. 15 Min. beschleichen mich die ersten Zweifel, ob ich nicht einen Abzweig verpasst habe. Es wird tierisch geröllig, aber es geht runter – so falsch kann es also nicht sein. Es dauert eine Weile, bis die Gewißheit des „rechten Weges“ sich einstellt. 

Die Geröllabfahrt geht weiter und Konzentration ist angesagt, wenngleich es schon etwas schwer fällt, schön ist es dennoch – vor allem jetzt Wochen später, beim Schreiben. 

Der Abend ist schlichtweg gemütlich. Pasta, Vino, eine Truppe Alpencrosser, die völlig durchorganisiert mit einem Reiseveranstalter sich die Taschen von Ort zu Ort transportieren lassen, Laune gut. Hach, ist das schön.

5. Tag – Mittwoch, 28.07.

(62 km, 5h:23min, 1802 Höhenmeter) 

St. Pankranz – St.Walburg – St.Nikolaus – St.Gertraud (Ultental) – Kaseralm – Rabbijoch – Rabbijoch Hütte – Rabbi – San Bernado – Male – Monte Classico

Die Alpencrosser Truppe hat Technik Probleme. Der „Mannschaftsbus“ schluckt alle die Taschen und Beutel. Der Coop auf der anderen Seite der Gasse verkauft Bananen und Aqua und irgendwann so gegen 9h kommen auch wir in die Spur.

Tagebucheintrag: „Eine der schönsten Touren I´ve ever made“. Zitat Ende. Und wahrhaft. So was von grimmig schön. Rabbi Joch wird es heute werden. Doch zunächst müssen wir durchs Ultental. Unser Routenplaner (einfach genial U. Stanciu – Alpencross 2. Auflage) führt uns zunächst über einen Wiesenpfad und schließlich am Wasserlauf entlang Richtung Kaseralm auf 1859 m.

verdientermaßen

Die Sonne ist gnädig und scheint ihr schönstes Scheinen. Die Schweißperlen auf der Haut schimmern alpencrossfarben und das Tal in unserem Rücken macht den Eindruck als ob es zum Gruße winkt. Meine Güte – toll. „Weißt Du was, Carolin, scheiß drauf, ich bestell mir jetzt einen Kaiserschmarrn und ein totales Genus Achterl Roten – so schön ist das.“ Gesagt getan.

Was nun kommt, ist durchaus in der Kategorie „kernig“ gut aufgehoben und meine liebe Frau würde mir die Freundschaft kündigen, aber – sammer doch mal ehrlich – auch wenn es supersteil und lang hochgeht, etwas schöneres habe ich selten gesehen. Carolin flucht. Zugegeben: zu Recht, aber schön ist es trotzdem.

on the go …

Schieben, Schieben, tragen, über Steinstufen heben, schieben, lupfen, sich plagen und das ganze schon eine ganze schöne lange Weile. Stet ein Blick zurück ins Ultental. Jesus, ist das schön. Dort oben stet das Ziel vor Augen. Nur noch …, na ja, lassen wir das. Ich genieße jeden Meter, obwohl auch ich mich plagen muss. Carolin hat mit sich zu tun.

Oben angekommen, renne ich – ganz der Gentlemen – runter und will Caros Bike schultern. Doch mitnichten „mach ich selbst“ lautet der knappe aber irgendwie leicht stinkige Kommentar. Ok, ok, dann mach selbst, denke ich mir und habe weiter keinen Stress damit (mit meiner Frau hätte ich jetzt diskutiert).

Hochebene Rabbi und nur noch wenige Meter Richtung Rabbi Joch. Das Panorama hier oben kann man nicht beschreiben. Und wenn man es könnte, würd ich es nicht wollen. Muss man selbst erlebt haben. Ein Satz mit Wow. Wahrhaft. 

Das Rabbi Joch selbst liegt wunderbar in einer Senke und hier oben gibt es nur Berge soweit das Auge blickt. Gigantisch. Ausgiebige lange Rast und als die Wolken über Carolins Kopf sich verzogen haben, genießen wir gemeinsam.

Und das schönste: die Abfahrt Richtung Rabbi bzw. Male ist ein weiteres Highlight. Kaum zu toppen diese Tour. Der Trail bergwärts ist so richtig schön grenzwertig aber stet – für geübte, halbwegs sichere Fahrer – fahrbar und natürlich insbesondere für Fullypiloten ein absolutes „Must“.

Serpentinen, winkelige Kurven, Stufen, Absätze, Wurzel, Steine, Rinnen, alles was des Bikers Herz begehrt. Irgendwann wird diese Trailabfahrt normal und es geht nur noch bergab, dafür aber hübsch lange. Rabbi, San Bernado, Male und schließlich münden wir in Monte Classico in einem weiter nicht erwähnenswerten Hotel, daß neben jeder Menge Senioren auch einen Alten-Tanzabend mit lautem Alleinunterhalter zu bieten hatte. Keep on rockin. Was für ein Tag. Eine der schönste Touren I´ve ever had. Really.

good old Pogo

6. Tag – Donnerstag, 29.07.

(73 km, 5h:15min, 1677 Höhenmeter) 

Monte Classico – Waldweg Madonna di Camp. – Riffugio Graffer – selber Weg retour – Madonna di Camp. – Tione – Zuclo – Saone

Der Countdown läuft. Lago di Garda in the air. Lange kann es nicht mehr dauern und irgendwie stellt sich die Gewissheit ein. Wir werden es schaffen. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Riva wir kommen bald.

Der Plan sagt heute: Graffer. Auch ein Zauberwort aus den Büchern des Delius Klasing Verlages. Auf den ersten Metern treffen wir die TransAlper aus St.Pankranz wieder und nach großem Hallo machen wir ein gemeinsames Stück der Strecke auf dem Waldweg Richtung Madonna di Campiglio. Die Gruppe ist die reinste Ziehharmonika. Sich sammeln, wieder auseinander, warten, wieder zusammen. Naja, jedem das seine.

Nach traumhafter Walddurchquerung gelangen wir mit ca. 15 Bikern am Abzweig „Graffer“ und stehen nun vor der Entscheidung: hoch oder nicht. Hoch. Nun heißt es: schraub Dich. Hoch geht’s, hoch, hoch, bergan, bergan, Staub, Rüttelschüttel, Kehre, Kehre, Buckel, hoch. Meine 725er Polar signalisiert Grenzwerte. Oh Gott, meine Kräfte sind begrenzt, aber noch sind wir nicht oben. Die querenden Trucks mit Schutt und Geröll sorgen einerseits für kurze Stopps andererseits aber auch für jede Menge Staub. So schön das hier oben wäre, so wenig attraktiv ist diese Tour. Baustelle ist ansich ein städtisches Wort, paßt aber aber auch hier ohne Einschränkung. Schade, daß die Politiker sich anscheinend für den Ausbau irgendwelcher Skitrassen entschieden haben und somit Tür und Tor öffnen für den Kommerz, der an diesem Berg ungeniert Einzug erhält. Das Riffugio Graffer ist hiervon nicht ausgenommen. Liegt es doch traumhaft gelegen, aber all die Bulldozer, Kräne, Betonblöcke und Trucks mögen einfach nicht in diese Bergwelt passen. Schade

Wir machen Rast mit Überlänge, zahlen zu hohe Preise für das Touristenmenü und nehmen Abstand von der ursprünglichen Route und fahren schnurstracks den gleichen Weg retour und werden Abend irgendwann irgendwo vor den Toren des Gardasees nächtigen. Mein gelbes Bike ist staubweiß. So muss Abenteuer aussehen.

Wir münden in Madonna Di Camp. und fahren am Sarche Fluss entlang solange es geht. In Zuclo treffen wir zeitgleich mit 6 weiteren Bikern im einzigen Hotel dieses verschlafenen Nestes ein, um uns sagen zu lassen, dass alle Zimmer ausgebucht sind (wer in Gottes Namen übernachtet hier?). Der Wirt ist zumindest fair genug, dass er uns eine Herberge in Saone organisiert, die wir dann schließlich zu acht auch aufsuchen (Albergo Dolomiti).

Das gemeinsame Abendessen ist nicht nur lustig sondern es dreht sich seltsamerweise sehr viel ums Biken. Viel Ah und viel Oh, jeder gibt seine Anekdoten zum  Besten und alles ist easy. Nur noch einmal schlafen.

7. Tag – Freitag, 30.07.

(44 km, 2h:30min, 660 Höhenmeter)

Saone – Zuclo – Passo Duron – Lago di Tenno – Campi – RIVA – Torbole !!!

Heute ist Finale. Kein Stress mehr. Muss ja auch nicht sein. Schließlich haben wir ein anständiges Pensum hinter uns, müssen uns nicht verstecken. Die ersten breiten Grinser schleichen sich ins Gesicht. Hähä. Heute schlampen wir etwas, was solls. Nur noch Teer, noch noch ein paar Easy-Höhenmeter – gegen Mittag dann knallen die Korken. Yeah. 

gleich …

Lange Rede kurzer Sinn, wir sind natürlich noch losgefahren, haben auch noch ein paar Kilometer und auch ein paar bescheidene Höhenmeter gemacht. Haben uns gefreut, daß der Lago di Tenno so smaragdfarben geleuchtet hat, die Ups und Downs nicht mehr wirklich ernstgenommen, aber spätestens als wir dann das Ortschild RIVA passiert haben, hat es sich wieder eingestellt, jenes unbeschreibliche Gefühl „es-geschafft-zu-haben“, es „verdammt-nochmal-geschafft-zu-haben“. 

Das kann man nach wie vor nicht anständig beschreiben, soll man vielleicht auch gar nicht. Das ist einfach etwas, was man erlebt haben muss. Das ist etwas, was wertvoll ist und schön.

Wir haben das Glück um 12.00 Uhr Mittag anzukommen, also noch genug Zeit all das zu inhalieren, zu reflektieren. Prosecco, ein großes Eis, Smiler, all das. Und dieses glückselige Leuchten in den Augen. Danke dafür! 

Stößchen

Fazit:

Schön wars. Hat gepasst und auch wenn es diesmal unter anderen Vorzeichen losging, so war es eine Woche mit vielen Highlights ohne nennenswerte Probleme.  Mann kann also mit 4 Kumpels genauso auf Reisen gehen, wie mit einer unkomplizierten Kumpeline. Wenn der Anspruch nicht dahin geht, Rekorde aufzustellen und Bestmarken zu toppen, können die Eindrücke und Er“fahr“ungswerte sogar bisweilen neue Dimensionen erreichen. Will sagen: Neuauflage nicht ausgeschlossen.

(c) Udo Kewitsch, seinerzeit ….